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Pressestimmen von Donnerstag, 11.12.2003

Gerhard M Friese14. Dezember 2003

USA schließen Firmen von Kriegsgegnern aus/ Vermittlungsausschuss geht in Endrunde/ Serben scheitern mit Klage gegen Deutschland

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Die USA schließen Firmen aus Ländern, die gegen den Irak-Krieg votierten von Großaufträgen beim Wiederaufbau des Irak aus und begründen dies mit amerikanischem Sicherheitsinteresse. Dies, sowie die entscheidende Runde des Vermittlungsauschusses sind die bestimmenden Themen der Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Zur Entscheidung der USA schreibt das in Düsseldorf erscheinende HANDELSBLATT:

"In mühsamer diplomatischer Kleinarbeit hat Präsident Bush versucht, die internationalen Geldhähne für den Wiederaufbau am Golf zu öffnen. Durch die neueste US-Entscheidung dürfte sich die Großzügigkeit der ausgeschlossenen Länder in Grenzen halten. Schädlich ist dies auch für Bushs Aufruf, den Kampf gegen den Terror im weltweiten Schulterschluss zu führen. Das Pentagon hat die alten Wunden über den Irak-Krieg wieder aufgerissen und Bush ein klassisches Eigentor beschert."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

"In der Logik von Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz zielt das darauf ab, die Kooperationsbereitschaft der ehemaligen Kriegsgegner zu fördern. In der Praxis werden sie wirtschaftlich abgestraft. Es geht um plumpe Vergeltung. Die Ausgrenzung mag daher außenpolitisch kurzsichtig und handelsrechtlich problematisch sein. Der eigentliche Skandal aber ist nicht, wenn deutsche und französische Firmen in Irak nur als Subunternehmer bei US-finanzierten Wiederaufbauprojekten zum Zuge kommen. Der eigentliche Skandal ist, dass die Bush-Regierung politische Rechnungen auf dem Rücken der Iraker begleicht."

Die Berliner Tageszeitung DIE WELT erinnert daran, dass Deutschland zu den Kriegsgegnern gehörte:

"Verdient hat die Bundesregierung die jetzige Abstrafung allemal. Ob das amerikanische Vorgehen klug ist, darf aber bezweifelt werden. Die Alliierten brauchen im Irak jede nur denkbare Hilfe. Eine erneute transatlantische Verstimmung nützt nur den Feinden der Freiheit im Irak. Würden hingegen deutsche Firmen am Aufbau beteiligt, könnte auch bei uns das Bewusstsein wachsen, dass am Golf auch unsere Freiheit verteidigt wurde und wird."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN beschäftigen sich mit der Sitzung des Vermittlungsausschusses:

"Das Polit-Schauspiel 'Deutsche Reformen 2003' nähert sich unweigerlich dem dramatischen Höhepunkt. Noch fast eine Woche müssen wir es ertragen. Doch viel spricht für ein Happy End, zumindest in den zentralen Punkten. Das Vorziehen der Steuerreform wird kommen, weil die Union genau weiß, wie schlecht es bei ihren Wählern ankommt, wenn sie es scheitern lässt. Subventionen werden abgebaut, mehr als manchem lieb sein dürfte. Am Arbeitsmarkt wird es Lockerungen geben, auch wenn Gewerkschaften und Teile der SPD murren. Das Motto heißt durchhalten - und hoffen, dass die Vernunft siegt."

Auch für den Bayreuther NORDBAYERISCHEN KURIER steht der Zwang zur Einigung längst fest:

"Sicher, auf dem Spiel steht auch das Schicksal des Kanzlers und seiner Regierung, aber nicht nur: Es geht um das Ansehen der ganzen politischen Klasse in Deutschland, egal welcher Coleur. Die Damen und Herren Regierenden in Bund und Ländern müssen beweisen, dass sie und damit das politische System in schwieriger Lage handlungsfähig sind, und sie müssen es jetzt beweisen. Ein Versagen wäre eine Katastrophe. Im Ausland würde das reformunfähige Deutschland zur Lachnummer, im Inland wäre die politische Elite als Versager abgestempelt."

Zum Schluss die Stimme der WETZLARER NEUEN ZEITUNG zur Niederlage der Bürger der serbischen Stadt Varvarin in ihrer Klage gegen Deutschland um einen NATO-Einsatz während des Kosovo-Krieges:

"Die Bundesrepublik, die im Kosovo-Krieg schlimmeres Unheil verhindern wollte, ist mit dafür verantwortlich, dass Unschuldige zu Tode kamen. In welchem Land leben wir eigentlich, das sich deshalb vor ein Gericht zerren lässt statt den Opfern der Tragödie aus freien Stücken entgegenzugehen. Wer sich fürchtet, hiermit würde ein Präzedenzfall geschaffen, der sollte sich an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Durch das, was Deutschland den Opfern dieses Krieges an Wiedergutmachung gezahlt hat, ist das Land nicht arm geworden. Was im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg an möglicher Wiedergutmachung in Betracht kommt, ist nicht mehr als ein Tausendstel davon."