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Pressestimmen von Donnerstag, 12. August 2004

11. August 2004

Debatte über Arbeitsmarktreform / Motassadeq-Prozess / Folgen der Einigung mit Libyen

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Angesichts der Proteste gegen die Arbeitsmarkt-Reformen befassen sich auch die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen vorrangig mit diesem Konflikt. Weitere Themen sind der Terror-Prozess um den Marokkaner Mounir el Motassadeq und die Entspannung im deutsch- libyschen Verhältnis.

Zur Debatte um die Arbeitsmarktreformen schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV, Unmut in der Partei, Frust bei den Regierungsfraktionen. Kanzler Gerhard Schröder und SPD-Parteichef Franz Müntefering mussten handeln, vereint mit den Grünen die Notbremse ziehen. Ein Nothalt mit Folgen. Denn im Kabinett dürfte es dabei mächtig poltern. Finanzminister Hans Eichel und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement geraten in Erklärungsnot, wenn man die Auszahlungslücke beim Arbeitslosengeld II im Januar doch noch schließt und Ausbildungsversicherungen bei der Festlegung der Ansprüche Langzeitarbeitsloser nicht anrechnet. Eichel, weil er immer gesagt hat: mehr Geld gibt's nicht. Clement, weil er immer zum Besten gab: anders geht's nicht."

Noch schärfer geht die Zeitung DIE WELT mit der Regierung ins Gericht:

"Kaum ist der Kanzler aus dem Urlaub zurück, lässt er den Wirtschafts- und den Finanzminister die Ferien abbrechen, um zu erörtern, wie die Regierung die Hysterie im Land stoppen kann. Das wirkt selbst leicht hysterisch. Für den Aufruhr im Land machen viele in der SPD das Bundespresseamt verantwortlich. Und in der Tat: Eine Informationskampagne erst dann zu starten, wenn in Ostdeutschland der Montag längst schon wieder den Demonstranten gehört, ist sicherlich keine Glanzleistung."

Zur aktuellen Entwicklung im Motassadeq-Prozess lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:

"In den vergangenen Monaten haben sich Bundesinnenminister Otto Schily, Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Generalbundesanwalt Kay Nehm ernsthaft bemüht, die Amerikaner davon zu überzeugen, dass Bin al-Schibb in Deutschland in den Zeugenstand gehöre. Das war rührend, das war politisch und rechtsstaatlich in Ordnung, aber sehr naiv. Wenn sich ein solcher Mann in der Obhut der CIA befindet, ist er für den Rest der Welt nicht mehr greifbar - nicht einmal für die amerikanische Justiz oder einen Senatsausschuss. So sind die Regeln im Geheimdienstgeschäft."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND aus Hamburg wundert sich vor allem über die US-Regierung:

"Was reitet Amerika eigentlich, bei den Hamburger Terrorprozessen stets das Geschäft der Verteidigung zu betreiben? Erst geben die US-Behörden arrogant zu verstehen, dass dem deutschen Gericht auch bei der Neuauflage des Verfahrens gegen den mutmaßlichen Terrorhelfer Mounir al-Motassadeq wichtige Zeugen vorenthalten werden. Dann schicken sie per Fax - nicht gerade der diskreteste Übermittlungsweg für vertrauliche Informationen - Unterlagen, die die Richter ins Grübeln bringen. (...) Um den mutmaßlichen Drahtzieher der Terroranschläge jedoch als Lügner einstufen zu können, müsste das Gericht ihn endlich zu Gesicht bekommen. Genau das verweigern die US-Behörden. So dürfen sie sich nicht wundern, wenn am Ende ein Urteil steht, das ihnen nicht passt."

Themenwechsel: Nach der Einigung über die Entschädigung der Anschlagsopfer in der Berliner Diskothek "La Belle" will Bundeskanzler Gerhard Schröder Libyen besuchen. Dazu führt die FRANKFURTER ALLGEMEINE aus:

"Schröders angekündigte Reise käme im Herbst gerade recht, um der libyschen Führung zu vermitteln, dass unter den gerade vom Westen fixierten Maximen einer neuen Nah- und Mittelost- Initiative ein Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen nicht genügen kann. Die gewünschte vollkommene Aufnahme in die Mittelmeer-Politik der EU wird davon abhängen, dass Gaddafi Menschenrechte allgemein achtet. Hier warten Bewährungen im Einzelfall."

Die BERLINER ZEITUNG beleuchtet dagegen die Interessenlage des nordafrikanischen Landes:

"Libyens Forderung nach Wiedergutmachung ist berechtigt. US-Präsident Ronald Reagan befahl die Angriffe seinerzeit als Reaktion auf das La-Belle-Attentat. Aus dem vorausgegangenen Anschlag entsteht aber kein Recht auf eigenmächtige Vergeltung. Die Bombardements waren Selbstjustiz, ein Verbrechen wie zuvor die Anschläge. Natürlich ist undenkbar, dass die USA jemals Entschädigung an Libyen zahlen werden. Aber bei den jetzt noch ausstehenden Abrechnungen ist es von Vorteil für Libyen, daran zu erinnern, dass es Rechtsbruch nicht nur auf einer Seite gegeben hat."

Die Redaktion hatte Reinhard Kleber.