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Pressestimmen von Donnerstag, 13. Dezember 2007

Siegfried Scheithauer12. Dezember 2007

EU-Reformverträge

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Das Ringen um eine neue rechtliche Basis der Europäischen Union ist nach jahrelangen schwierigen und teils dramatischen Debatten zu einem Abschluss gekommen. Die Staats- und Regierungschefs der inzwischen 27 EU-Staaten unterzeichnen in Lissabon den Reformvertrag. An dem mühevollen Kompromiss hatte die frühere EU-Ratspräsidentin, Kanzlerin Merkel, großen Anteil. Die deutsche Tagespresse sieht noch viele offene Fragen.

Der TAGESSPIEGEL aus Berlin meldet folgende Zweifel an:

"Bundeskanzlerin Merkel und alle anderen in Lissabon sind herausgefordert: Einerseits müssen sie den Bürgern erklären, warum dieser Vertrag doch ein echter Fortschritt ist, obwohl nicht mehr Verfassung draufsteht. Andererseits dürfen sie den neuen Reformvertrag auch nicht zu sehr loben. Denn dann könnte der Wähler den Verdacht schöpfen, hier entstünde etwas bahnbrechend Neues. Wer das neue Vertragswerk auf Herz und Nieren prüfen will, der hat es übrigens nicht einfach: Es ist noch komplizierter als das alte. Europa macht es seinen Bürgern wirklich nicht leicht, den Sprung zu wagen. "

Auch bei der Zeitung DIE WELT kommt nicht nur Freude auf:

"Die Kanzlerin hat den EU-Reformvertrag als „historischen Durchbruch“ bezeichnet. Man sollte den Text aber nicht überbewerten: Das kalte Konvolut, geschrieben von Technokraten für Technokraten, ist nur ein kleiner Schritt auf einem langen Weg. Der neue Vertrag macht Entscheidungen in der EU demokratischer und reduziert Blockademöglichkeiten durch einzelne Staaten – dies dürfte vor allem in der Innenpolitik zu mehr Sicherheit führen. Aber der Vertrag tut nichts für das Wir-Gefühl in Europa. Er gibt auch keine Antwort auf die Frage, die viele Europäer am meisten beschäftigt: Wo liegen die Grenzen der EU? Das könnte dem Vertrag am Ende zum Verhängnis werden."

Die Meinungsmacher der FRANKFURTER RUNDSCHAU beschreiben die europäische Seelenlage so:

"Europa, so die Botschaft von Lissabon, hat im frühen 21. Jahrhundert nur als pragmatische Veranstaltung eine Chance. Träume, das war gestern, um Visionen kümmern wir uns später. Europas Politiker haben sich entschieden: Lieber auf einer Basis operieren, die als Geschäftsordnung daherkommt, als mit Romantik Schiffbruch erleiden. Die mögen sich Europas Intellektuelle leisten, die damit liebäugelten, die europäische Ehe quasi vor dem Altar mit einem einzigen Referendum in allen Mitgliedstaaten am selben Tag zu schließen. Auf dass die Völker dann hauchen «Ja, ich will» - oder sich trennen vom Lebenspartner Europa."

Ganz anders die LÜBECKER NACHRICHTEN. Ihr Kommentar liest sich wie eine Regierungserklärung:

"Mit dem Reformvertrag wird die EU demokratischer, handlungsfähiger und schlagkräftiger. Der Erfolgsgeschichte des alten Kontinents wird ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Trotz vieler Unzulänglichkeiten in der Brüsseler Zentrale, trotz des beklagten europäischen Schneckentempos: Die Geschichte der Gemeinschaft seit ihrer Gründung 1957 ist eine Geschichte des wachsenden Wohlstands, des unaufhaltsamen Fortschritts und des Friedens. Der einst so gescholtene Euro hat sich inzwischen zu einer Weltwährung gemausert. Europa, du hast es gut."