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Pressestimmen von Donnerstag, 13. Juli 2006

Christoph Schmidt12. Juli 2006

Rücktritt Klinsmanns / Eskalation im Nahen Osten

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Die Zuspitzung des Nahost-Konflikts und der Rücktritt von Bundestrainer Jürgen Klinsmann sind die herausragenden Themen in den Kommentaren deutscher Tageszeitungen.

Das OFFENBURGER TAGEBLATT meint zur Eskalation der Gewalt im Nahen Osten:

"Israels Feldzug im Gazastreifen und jetzt im Libanon sprengt bei weitem den Rahmen, um entführte Soldaten zu befreien. Der Regierung in Jerusalem geht es allein darum, Stärke um jeden Preis zu demonstrieren. So kommt jedoch der Friedensprozess in Nahost nicht in Gang. Härte gegenüber den palästinensischen Terroristen zu zeigen, ist richtig. Gleichzeitig muss aber der Versuch unternommen werden, die friedlicheren Kräfte an den Verhandlungstisch zu bringen."

Das HAMBURGER ABENDBLATT zeigt dagegen Verständnis für das israelische Vorgehen:

"Israel kann gar nicht anders, als mit Härte auf die stetigen palästinensischen Angriffe gegen israelische Dörfer und die Entführungen von Soldaten zu reagieren. Jedes Nachgeben gegenüber den Kidnappern würde von den Arabern als Schwäche ausgelegt, ganz abgesehen von der Einladung zu neuen Entführungen."

Für den WIESBADENER KURIER fehlt es bei den Israelis an einem klaren Konzept:

"So verständlich die Invasionen der Armee in Gaza und Libanon sein mögen, so gering ist die Hoffnung auf mehr Sicherheit. Israels Militär ist genau wieder in jenem Sumpf gelandet, aus dem es sich mühsam und wohlüberlegt zurückgezogen hatte. Besonders die Invasion im Libanon verfolgt - abgesehen von der kaum realistischen Befreiung der entführten Soldaten - kein klares Ziel. Wer soll geschlagen werden? Die Hisbollah? Die gesamte Republik, die sich gerade vom syrischen Einfluss emanzipiert hat?"

Syrien spielt aus Sicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU eine entscheidende Rolle:

"Wirklich Einfluss nehmen könnte Präsident Assad. Die Israelis trauen ihm zu, sich für die Freilassung der entführten Soldaten einzusetzen. Gleichzeitig wäre dem jungen Assad zuzumuten, ermahnend auf Chaled Maschaal, den einflussreichen Chef der Exil-Hamas in Damaskus, einzuwirken. Dieser soll das Kidnapping mit dem Ziel veranlasst haben, unbedingt eine Zwei-Staaten-Lösung in Israel zu verhindern. Eine Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft könnte auch dem Autokraten Assad von Nutzen sein."

Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz richtet den Blick auf die gesamte Region:

"Die Extremisten im Nahen Osten fühlen sich stärker denn je. Es ist nur allzu offensichtlich, dass die Amerikaner im Irak in einen schmutzigen Abnutzungskrieg getrieben werden. Der Streit um das iranische Atomprogramm und die erstarkende Taliban-Guerilla in Afghanistan binden zusätzliche Kräfte. Die radikalen Flügel von palästinensischer Hamas und libanesischer Hisbollah versuchen jetzt, den US-Brückenkopf Israel zu schwächen. Dabei torpedieren sie alle Friedensbemühungen."


Die OSTSEE-ZEITUNG kommentiert den Rücktritt Jürgen Klinsmanns vom Amt des Bundestrainers:

"Jetzt ist er also doch noch gekommen, der Kater nach dem großen Fußballrausch. Drei Tage nach dem überwältigenden Jubel-Finale am Brandenburger Tor wirft Bundestrainer Jürgen Klinsmann das Handtuch und enttäuscht damit Millionen Fans und vor allem seine Spieler. Das ist schade für den deutschen Fußball, kommt aber nicht unerwartet. Klinsmann bleibt nur konsequent. So zielstrebig, wie er in 24 Monaten die Nationalmannschaft reformiert hat, so unbeirrt setzt der 41- Jährige seine persönliche Lebensplanung fort. In seiner kurzen Amtszeit hat Klinsmann mehr bewegt als die meisten seiner Vorgänger."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG sieht die Motive für den Rücktritt im Charakter Klinsmanns:

"Die Entscheidung des Bundestrainers überrascht nicht. Klinsmann ist ein Abenteurer von Natur aus; ihn, den lernwilligen Bäckerbub aus Bottnang, reizen neue Herausforderungen. Er ist ein Familienmensch, ihm ist die Privatsphäre heilig, der Schutz in der amerikanischen Anonymität. Er ist ein Sturkopf, ein Cleverle zudem, einer, der den Tontaubeneffekt kennt. Mittels Lorbeerkränzen, des Bundesverdienstkreuzes, der Huldigung des Kaisers, der Zuneigung des Volkes und des Jubels der Wendehälse vom Boulevard ist eine optimale Fallhöhe erreicht worden."

Die HEILBRONNER STIMME kommentiert:

"Jürgen Klinsmann ist sich mit seinem Rückzug treu geblieben. Dem Druck hat er sich entzogen, weil ihm nach dem Gewaltakt WM die Energie fehlt. Das versteht nur, wer erahnt, gegen welch massive Widerstände Klinsmann im Verband wie in der Liga gekämpft hat - und weitergekämpft hätte. Der Schwabe flieht nicht. Er ist nur einer, der es nie allen recht gemacht hat. Weil er es nie allen recht machen wollte. Mit seiner Philosophie hat Klinsmann den überfälligen Prozess der Erneuerung angestoßen. Diesen führt nun Joachim Löw fort."

Die LANDESZEITUNG LÜNEBURG bemerkt:

"Wenn es am schönsten ist, sollte man gehen. Schon allein deshalb darf der Rücktritt von Bundestrainer Jürgen Klinsmann niemanden überraschen. Er hat zwei Jahre lang trotz aller heftigen Widerstände die Grundlagen für das WM-Fest gelegt, das Deutschland in den vergangenen vier Wochen erlebt hat. Nun ist wieder Alltag. Eine schweres Erbe für Joachim Löw. Er besitzt weder das Charisma noch den großen Namen seines bisherigen Chefs. Ihm kann es ergehen wie einst Berti Vogts, der Franz Beckenbauer folgte - wer in große Fußstapfen tritt, kann sehr leicht stolpern."