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Pressestimmen von Donnerstag, 13. November 2003

Stephan Sickelmann12. November 2003

Bombenanschlag in Nassirijah / Gutachten der Wirtschaftsweisen / Gipfeltreffen von Union und FDP

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Der verheerende Bombenanschlag im irakischen Nassirijah ist Kommentarthema zahlreicher Tageszeitungen. Innenpolitisch finden vor allem das jüngste Gutachten der Wirtschaftsweisen sowie das Treffen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP Beachtung.

Zum ersten Thema heißt es im TAGESSPIEGEL aus Berlin:

"Die italienischen Carabinieri, Soldaten und Zivilisten, die am Mittwoch im Irak starben, waren nicht als Eroberer ins Land gekommen. Sie waren im Irak, um Hilfslieferungen für die Bevölkerung zu sichern, beim Aufbau der Infrastruktur zu helfen und Minen zu räumen. So macht der Anschlag in Nasirijah abermals deutlich, um was es den Extremisten geht: nicht etwa um die Beendigung einer Besetzung. Denn die würde ja desto schneller ein Ende finden, je eher die Amerikaner und ihre Verbündeten die Macht an die Iraker übergeben können. Nein, den Terroristen geht es darum, den neuen Irak zu verhindern."

Das in Düsseldorf erscheinende HANDELSBLATT stellt fest:

"Es ist keine Übertreibung mehr, wenn in Washington wieder offen von einem Krieg gesprochen wird, der noch immer im Irak geführt wird. Je dramatischer die Lage wird, desto fieberhafter sucht die Bush-Administration nach einem Ausweg aus der Misere. Jetzt konzentriert sich der Unmut auf den irakischen Regierungsrat, dem Inkompetenz, Langsamkeit und Korruption vorgeworfen werden. Doch bei näherem Hinsehen verbirgt sich hinter dieser Absicht nur Ratlosigkeit. Denn so schlecht, wie die Regierung in Washington glaubt, arbeitet der Regierungsrat nicht. Zumindest nicht, wenn man die Grenzen betrachtet, die ihm gesetzt sind."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder wendet allerdings ein:

"Der von den Besatzern eingesetzte Übergangsrat verfügt nicht über genügend Autorität, um den Irak in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Die Alternativen sind deshalb in jedem Fall düster: Ziehen sich die Amerikaner zurück, wird der Kampf um die Macht in Bagdad zwischen den diversen Interessengruppen in voller Schärfe entbrennen. Bleiben die US-Truppen, geht der Guerilla-Krieg unvermindert weiter. Erkennbar sind bereits Symptome des Vietnam-Krieges, als die US-Truppen den Feind nicht besiegen konnten und in ihrer Ohnmacht mit ihrem geballten Militärpotential Vergeltung übten."

Der Kommentator der WELT lehnt jeden Vergleich mit Vietnam ab und begründet dies wie folgt:

"Der Irak ist nicht Vietnam, weil der irakische Widerstand anders als der Vietcong nicht in der Lage ist, die Alliierten strategisch zu bedrohen. Der Irak ist nicht Vietnam, weil das Land zwischen Euphrat und Tigris nicht in zwei Teile geteilt ist und folglich von keiner staatlichen Seite unterstützt werden kann. Der Irak ist nicht Vietnam, weil im Unterschied zu 1975 ein übereilter Rückzug der Amerikaner vom Golf die gesamte Region in eine Krise ungeahnten Ausmaßes stürzen, dem Terrorismus zu einem entscheidenden Sieg verhelfen und alles zunichte machen würde, was Amerika zu verwirklichen hofft."

Themenwechsel: Der KÖLNER STADT-ANZEIGER beschäftigt sich mit dem Gutachten der Wirtschaftsweisen und meint:

"Immer wieder haben die Wirtschaftsweisen - aber nicht nur sie - die Lage der Konjunktur vorher rosiger gemalt, als sie am Ende tatsächlich war. Im nächsten Jahr allerdings müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn der weltweit erwartete Aufschwung an Deutschland vorüberzöge. Voraussetzung allerdings ist, dass die eingeleiteten Reformen der Bundesregierung auch umgesetzt werden. Dabei ist das Signal, dass der behäbige Tanker Deutschland umsteuern kann, wichtiger als die reinen Zahlen."

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG schließlich lenkt den Blick ihrer Leser auf das Gipfeltreffen von Union und Liberalen und konstatiert:

"Da hockt er nun, der schöne Guido Westerwelle: Auf Mama Merkels Schoß. Gönnerhaft gestreichelt von Papa Stoiber. In seiner verquasten Sehnsucht nach politischer Anerkennung merkt der FDP-Chef nicht einmal mehr, wie mit dieser unbotmäßigen Umarmung durch eine unausgesprochene Koalition in der Opposition den Liberalen Stück um Stück die eigenständigen Konturen weggebürstet werden. Ein Kleiner zwischen zwei ganz Großen, das funktioniert doch nur, wenn die Großen von der Tumbheit eines Goliath, der Kleine aber von der kreativen Kühnheit eines David wäre. Merkel und Stoiber sind clever. Und ein Herr Westerwelle ohne Jürgen Möllemann als Tandempartner nur noch eine gelackte Hülle seiner selbst."