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Pressestimmen von Donnerstag, 14. Dezember 2006

Herbert Peckmann13. Dezember 2006

Kritik an Köhler / Rauchverbot und Absichtserklärungen

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Bundespräsident Horst Köhler ist zur Hälfte seiner Amtszeit in bisher einmaliger Weise aus CDU/CSU und SPD attackiert worden. Grund: Der Stopp mehrerer Gesetze der großen Koalition. Die Vorhaltungen an die Adresse des Staatsoberhaupts wurden zeitweise so deutlich, dass die Bundesregierung zur Mäßigung aufrief. Auch die Kommentare der deutschen Tagespresse greifen das Thema auf.

Das STRAUBINGER TAGEBLATT stellt Köhler ein gutes Zeugnis aus. Dort heißt es:

"Mit seiner Entscheidung, innerhalb von wenigen Wochen zwei schwarz-rote Gesetze zu stoppen, hat Horst Köhler, der ja geschworen hat, das Grundgesetz 'zu wahren und zu verteidigen', nicht seine Kompetenzen überschritten, sondern mehr Mut bewiesen als manche seiner Vorgänger, die offensichtlich nicht verfassungskonforme oder - wie beim Zuwanderungsrecht - nicht verfassungskonform zustande gekommenen Gesetze ausgefertigt haben ... . Köhler geht hingegen nicht den Weg des geringeren Widerstandes."

Der WIESBADENER KURIER wägt ab:

"In der Sache dürfte der Bundespräsident bei seiner Ablehnung der Flugsicherungsprivatisierung ebenso richtig liegen wie bei der Zurückweisung des Verbraucherinformationsgesetzes. Der Aufschrei der Gesetzesmacher in den Regierungsfraktionen kaschiert so gesehen nur ihre verfassungsrechtliche Flickschusterei, die in besagten Fällen den staatlichen Hoheitsbereich bzw. die Folgen der Föderalismusreform falsch eingeschätzt hat. Der vernünftigere Weg für das Staatsoberhaupt wäre trotzdem statt der Unterschriftsblockade der Verweis auf Karlsruhe."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN befürchten weitgehende Auswirkungen der Kritik:

"Die Kanzlerin weiß: Die präsidialen Rügen sind dazu angetan, ihrer Regierung ein Etikett anzuheften, das eigentlich Markenzeichen von Rot-Grün war: das der handwerklichen Schlamperei. Für Merkel wäre dieser Eindruck denkbar gefährlich. Denn in der großen Koalition geht die Angst um. Sollte der Präsident bei seinen äußerst strengen Maßstäben bleiben, könnten plötzlich auch zentrale Vorhaben der Regierung zur Disposition stehen."

Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe stellen fest:

"Letztendlich entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Vereinbarkeit von Gesetzestexten mit dem Grundgesetz. Dies ist unstrittig. Aber es gehört eben auch zu den Aufgaben des Bundespräsidenten, bei eigenen Bedenken gegen eine Regierungsvorlage die Unterschrift zu verweigern. Mit einem 'handzahmen' Bundespräsidenten ist niemandem gedient, weder dem Bundesverfassungsgericht noch den Bürgern."

Schließlich die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld, die folgende Bilanz zieht:

"Horst Köhler ist unbequem. Er lässt sich von niemandem sagen, wie er sein Amt auszufüllen hat. Auch nicht von der Union oder der Bundeskanzlerin, die ihn einst auf den Schild gehoben haben. Was die innere Unabhängigkeit betrifft, zeigt er ganz große Statur. Hut ab."

Themenwechsel. In den Behörden des Bundes darf nach einem Kabinettsbeschluss künftig nicht mehr geraucht werden. Indes tun sich die Bundesländer noch schwer, für ihre Zuständigkeiten einheitliche Regelungen zu finden. Ein Arbeitskreis soll helfen. Dazu schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Die Nichtraucherfront unter den Politikern - voran diejenigen, die früher selbst geraucht haben - sieht sich in ihrem Begehren nach Verbots- und Zwangsmaßnahmen am Ziel. Die Betreiber der Kampagne freuen sich um so mehr, als sie das Vorhaben gegen den Widerstand ihrer immer ängstlicher werdenden Führungen durchgesetzt haben. 'Die Zeit freiwilliger Lösungen ist vorbei', verkündeten Bundesgesundheitsministerin Schmidt (SPD) und Verbraucherschutzminister Seehofer (CSU). Sie setzen darauf, daß diejenigen Ministerpräsidenten, die noch auf freiwillige Lösungen setzen, in den kommenden Monaten so unter Druck geraten, dass sie im fundamentalistisch geführten Streit nachgeben werden."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth macht noch viele Unklarheiten aus. Das Blatt schreibt:

"Das Zünden von Nebelkerzen gehört zu den Wesensmerkmalen der Tagespolitik. So liegt nun auch das Rauchverbot hinter einem diffusen Schleier politischer Absichtserklärungen, der sich nur langsam lichtet. Man kann lange darüber streiten, ob auch in Bars und Kneipen der Griff zur Zigarette untersagt werden soll. ... Die Länder-Fürsten kochen wieder einmal ihre eigenen Süppchen - und erweisen dem Bürger damit einen Bärendienst."

Die OFFENBACH-POST meint:

"Zwar sind alle Ministerpräsidenten laut gebetsmühlenartig wiederholter Bekundungen sehr dafür, Nichtraucher vor gesundheitsschädlichem Qualm zu schützen. Aber über das Wie hat jeder so seine eigenen Vorstellungen. Und weil für ein Rauchverbot etwa in Restaurants die Länder zuständig sind, wird am Ende möglicherweise ein Flickenteppich von Vorschriften Deutschland überdecken."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND fände diese Entwicklung gar nicht schlimm: Zitat:

"Es mag für Raucher lästig sein, wenn sie im Hamburger Hafenrestaurant andere Regeln beachten müssen als im bayerischen Bierzelt. Das Funktionieren des Nationalstaats ist dadurch aber nicht gefährdet. Vielmehr kann der Föderalismus beim Nichtraucherschutz seine eigentliche Stärke ausspielen: Er erzeugt Wettbewerb, der bei der Suche nach der besten Lösung hilft."

Schließlich die NORDSEE-ZEITUNG, die fragt:

"Wo ist der Mut, den Murks einzukassieren und neu anzufangen und bitte von vornherein das Manuskript der Tabakindustrie im Aschenbecher zu verbrennen? Die klare Beschränkung des Gesetzes auf den Gesundheitsschutz würde genügen, um ein Rauchverbot in der Öffentlichkeit verfassungsfest zu machen und nicht wieder in die Föderalismus-Klemme zu bringen."