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Pressestimmen von Donnerstag, 14. Februar 2002

13. Februar 2002

Kanzlerbewerbung an Aschermittwoch/ Europas Kritik am US-Zuchtmeister

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Starkes Bier und starke Sprüche - Bayerns politisches Aschermittwoch-Ritual gewann in diesem Jahr durch Edmund Stoibers Kanzler-Ambitionen besonderes Profil. Die Aufmerksamkeit der Kommentatoren in der deutschen Tagespresse war ihm an diesem Donnerstag deshalb
sicher.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG etwa zeichnet nach:

'Dies ist das Selbstbild Nummer eins: Stoiber als rastloser
Arbeiter, den nicht der Ehrgeiz treibt, sondern die Pflicht ruft.
Selbstbildnis Nummer zwei: Stoiber als politischer Erzengel, dem die Aufgabe zufällt, die angebliche rot-rote Gefahr zu bannen. An diesem Teil seiner Rede, der Warnung vor einer Zusammenarbeit der SPD mit der PDS, strickt Stoiber mit so großer Inbrunst, dass man in etwa ahnen kann, wie der Wahlkampf aussehen wird: Es gibt neue rote Socken. Von einem eigenen Sachprogramm hört man wenig bis nichts; es
besteht derzeit nur in der ständig wiederholten Aussage, dass es „die in Berlin“ nicht können. (...) Edmund Stoiber hat nämlich eine Vision: Die deutsche Gesellschaft soll so sein, wie sie vor zwanzig oder noch mehr Jahren war. Mit so einer Vision kann man Kanzler werden – im Jahr 1982. Aber das ist lang vorbei.'

Hier die Meinung des EXPRESS aus Köln:

'Caramba, karacho und Prost bis zum Abwinken. Keine Spur von Katerstimmung am Aschermittwoch. Wer die vielen Gähnreden aus dem Bundestag kennt, war perplex. Unsere Politiker können ja witzig sein. Der Klassiker beim Buhlen um Stammtische und Wähler - er liess nichts zu wünschen übrig. Gut in Form beim Watschenfestival war vor allem Stoiber bei seinem wie eine Prunksitzung inszenierten Heimspiel - mal
krachledern derb, mal staatstragend. Mit ihm wird Schröder seine liebe Mühe haben. Vom König in Bayern bis zum Kanzler in Berlin ist es aber noch ein weiter Weg. Da hat Stoiber nur Chancen, wenn er auch auswärts gegen Schröder gewinnt.'

Die BERLINER ZEITUNG schreibt:

'Der Kanzlerkandidat von CDU/CSU, Edmund Stoiber, bot artiges Pflichtprogramm. Wie die anderen Parteien auch. Man weiss über Stoiber fast alles, nur nicht, wie er Schröder schlagen will. Und man weiß nach den Aschermittwochs-Reden weder von den Grünen, noch von der SPD, wie sie verhindern wollen, dass sie von Stoiber geschlagen
werden.'

Zu guter Letzt noch ein Blick in den Bonner GENERAL-ANZEIGER:

'Wer die Passauer Rede auf Programmatisches, Pespektivisches abklopft, sucht vergeblich. Er findet allenfalls die Ankündigung, derlei werde demnächst nachgereicht. Und er verliert die Hoffnung, dass es doch noch vor der Wahl zu einem Zuwanderungskompromiss kommt. Aber sonst? Stoiber weiß natürlich, dass der finanzielle Spielraum jeder Bundesregierung äußerst begrenzt ist. Deshalb redet er auch nicht mehr von der Abschaffung der Ökosteuer, sondern lediglich gegen ihre Erhöhung. Vorziehung der nächsten Stufe der Steuerreform? Wer soll das bezahlen? Wahlgeschenke sind nicht drin. Flexibilisierung des Arbeitsmarktes? Der Kandidat wird sich hüten, so konkret zu werden, dass er damit große Wählergruppen verprellt.'

Das NEUE DEUTSCHLAND in Berlin widmet sich inzwischen der außenpolitischen Großwetterlage:

'Es kriselt im nordatlantischen Bündnis. Vorbei die Zeiten der
uneingeschränkten Solidarität nach den Terroranschlägen am 11. September. War man Pariser Kritik an den US-amerikanischen Alleingängen schon gewöhnt, maulte nun auch Außenminister Fischer öffentlich. Kein Wunder also, dass sein sonst so smarter Washingtoner Amtskollege Powell gestern den Zuchtmeister gab und von den NATO-Partnern verlangte, gefälligst Respekt vor der Führungsrolle der USA zu zeigen. Politik nach Gutsherrenart nennt man das, oder wie es Fischer formulierte: Bündnispartnerschaft unter Demokraten reduziert sich nicht auf Gefolgschaft, Bündnispartner sind keine Satelliten. Nur - in diese Rolle haben sich die europäischen Verbündeten selbst manövriert. Auch weil sie nach Ende des Ost-West-Konflikts allzu
schnell bereit waren, wichtige Stützpfeiler der internationalen
Sicherheitsarchitektur einzureißen. Die OSZE wurde gleich ganz ins Abseits gestellt, das Gewaltmonopol der UNO sukzessive demontiert. Und nun zeigt sich, dass die als Ordnungsmacht des 21. Jahrhunderts gedachte NATO zum Handlanger der letzten Supermacht verkommt. Wie
sagte doch Manlius: Gott beschütze mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden will ich schon selber fertig werden.'