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Pressestimmen von Donnerstag, 16. April 2004

ausgewählt von Ulrike Quast14. April 2004

Reaktionen auf Bush-Rede / Diskussion um Aufbau-Ost

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Das große Thema der Kommentare in der deutschen Tagespresse ist die Pressekonferenz von US-Präsident George W. Bush zum Irak. Trotz des gewaltsamen Widerstandes lässt sich der US-Präsident nicht beirren und bleibt seiner durchaus umstrittenen Irak-Politik treu. Auch der deutsche Streit um den Aufbau-Ost und Sonderwirtschaftszonen wird kommentiert.

Zunächst das HANDELSBLATT aus Düsseldorf zu Präsident Bush:

"Die US-Regierung hat die Gefahren im Irak unterschätzt. Diese Erkenntnis hat jetzt auch George W. Bush erreicht. Daran ließ der konfuse Auftritt des Präsidenten vor Washingtoner Journalisten keinen Zweifel. In einer wohl präparierten Rede begründete er noch entschlossen, den Aufstand der Schiiten und die Entführungswelle durchzustehen, auch durch eine Aufstockung der Truppen. Doch dann legten die Journalisten offen, dass Bush für den Irak kein Konzept hat. Hält Washington trotzdem am 30. Juni fest, droht eine rein formale Machtübergabe. Das würde aber keine neue Legitimität bringen, sondern nur den labilen Status quo festschreiben. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet nur die Internationalisierung des Konflikts."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

"Was die Bewunderer Bushs, von denen es in den USA noch eine erstaunliche Zahl gibt, gern als Standfestigkeit loben, entpuppt sich nun als ausgeprägte Ignoranz, die sich nur noch mit religiösem Eifer erklären lässt. George W. Bush ist gefangen in einem Weltbild, das einzig die Kategorien Gut und Böse kennt. Mit dem Eifer eines Missionars ingoriert der Oberbefehlshaber der mächtigsten Streitmacht der Erde alle angebrachten Zweifel an dieser Dichotomie."

Der MANNHEIMER MORGEN sieht in der Pressekonferenz des amerikanischen Präsidenten:

"... ein eindrucksvolles Dokument politischer Ratlosigkeit. Kurs halten, weitermachen, jetzt nur nicht schwach werden - das sind die floskelhaften Durchhalteparolen, mit denen George W. Bush versucht, die wachsenden Ängste seiner Bürger vor einem Debakel im Stile des Vietnamkrieges zu zerstreuen. In welchem Maße Bush die immer verfahrenere Lage im Irak innenpolitisch schaden wird, ist viel weniger klar, als es scheinen mag. Richtig ist, dass der Wahlkampf für den Präsidenten schwieriger wird, weil ihm die vorzeigbaren Erfolge im Irak fehlen."

Die BERLINER ZEITUNG merkt zu Bushs Rede an:

"Afghanistan, Irak, der Krieg gegen den Terror, die Arbeit der Geheimdienste? Alles, alles will der mächtigste Mann der Welt stets richtig gemacht haben. Es ist ein Unfehlbarkeitswahn, der Angst macht. In der Welt hat sich der amerikanische Präsident mit dieser Haltung kaum Freunde gemacht; daheim spaltet er das Volk. Langjährige Kenner der USA berichten, dass sie die Amerikaner noch sie so hoch politisiert, so ideologisch verfeindet, so tief zerstritten erlebt hätten."

Die Münchner SÜDDEUTSCHE ZEITUNG blickt kritisch auf den Streit um den Aufbau Ost:

"Vom Aufbau Ost und seiner radikalen Umgestaltung ist derzeit viel die Rede. Es gibt ihn eigentlich gar nicht: Zwar fließen jährlich vier Prozent des westdeutschen Bruttosozialprodukts von West nach Ost (2003 waren das 90 Milliarden Euro); aber damit wird kein koordinierter Aufbau Ost finanziert, sondern vor allem das konkurrierende Nebeneinander und Gegeneinander von fünf Bundes- ländern, die jeweils stolz darauf sind, dass sie sündteure öffentliche Einrichtungen ihr Eigen nennen, die es fünfzig Kilometer weiter, jenseits der Landesgrenze, noch einmal gibt. Der Aufbau Ost ist derzeit ein System aus Fehlsteuerung und dysfunktionalem Föderalismus. Solange der Föderalismus nicht grundlegend reformiert wird, sind auch die Aufbau-Ost-Korrekturen wie Spritzen und Massagen, die man einem gefesselten Organismus verabreicht."

Abschließend ein Blick in die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg:

"Deutschland einig Vaterland? Ganz im Gegenteil! Im Osten werden 'Sonderwirtschaftszonen' diskutiert -sprachlich übrigens hübsch gelungen: Zone hatten sie lange genug- . Im Westen macht man sich tiefgehende Gedanken darüber, ob man ein vereinfachtes Steuermodell nicht zuerst einmal in den neuen Ländern ausprobieren sollte. Einzig BDI-Chef Michael Rogowski sprach einen klaren, wahren Satz: 'Die beste Aufbauhilfe für den Osten wären Reformen für ganz Deutschland'."