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Pressestimmen von Donnerstag, 17. Juli 2003

zusammengestellt von Herbert Peckmann16. Juli 2003

Regierung will Schulden für Steuerentlastung

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Die Zeitungskommentare in Deutschland befassen sich mit der Ankündigung der Bundesregierung, die geplanten Steuerentlastungen vor allem mit neuen Schulden zu finanzieren.

Dazu schreibt die TZ MÜNCHEN:

"Jetzt haben Gerhard Schröder und Hans Eichel die Katze aus dem Sack gelassen: Des Kanzlers Steuergeschenk sollen unsere Kinder bezahlen. ... Eichels Verdienst war es einst, uns klar zu machen, wie falsch Politik auf Pump langfristig ist. Nun, getrieben vom Populisten-Kanzler, mutiert der 'eiserne Hans' zum 'Weich-Eichel' - zum Voodoo-Priester, der durch schöne Worte herbeizaubern will, dass trotz dieses neuen Schuldenbergs die Maastricht-Kriterien eingehalten werden."

Die Zeitung DIE WELT befürchtet, dass die Politiker den Ernst der Lage nicht erkennen. Das Blatt konstatiert:

" ... Der sommerliche Schlussakt (endet) mit dem ernüchternden Bild urlaubsreifer Männer, die der Öffentlichkeit etwas vorrechnen, was sie wohl hastig zusammengerechnet haben. Und selbst die Freude, der Union wieder den Ball zurückgespielt zu haben, hält sich in Grenzen. Die kann zwar mäkeln, wird aber bis zur Klärung ihrer eigenen Probleme auch versuchen, sich von der politischen Sommerbühne zu stehlen. Denn auch sie müsste endlich Ross und Reiter nennen, scheut aber erkennbar das politische Risiko. Mit Reformwillen hat das alles nichts zu tun, eher mit politischem Mikado. Jeder hofft, dass der andere sich zuerst bewegt - und rausfliegt."

Auch der BERLINER KURIER stellt fest:

"Das Steuerspiel geht weiter, obwohl das Nein (der Opposition) schroff klang. Es kam fast auf Knopfdruck, reflexartig. Dabei wurden die Größen von CDU, CSU und FDP nicht kalt erwischt. Seit Tagen war klar: Eichel geht pumpen. Gezielt wurden die Gerüchte, die sich nun bewahrheiten, gestreut. Auch diese Absage der Opposition wird nicht das letzte Wort sein. Niemand kann es sich leisten, dieser Reform den Garaus zu machen."

Für die FRANKFURTER RUNDSCHAU war die Miene Schröders vor der Presse düsterer als die Lage. Dort heißt es:

"Wenn Gerhard Schröder gestern bei seinem gemeinsamen Auftritt mit Hans Eichel etwas weniger miesepetrig aus der Wäsche geguckt hätte, wäre es nicht unangemessen gewesen. Der Kanzler hat schon schwergängigere Ware an den Mann bringen müssen als ein Konzept, bei dem immerhin der gemeine Bürger sich dreimal freut, dass die Steuern sinken, bevor er sich einmal Gedanken macht, was 'Gegenfinanzierung' eigentlich bedeutet und ob dieselbe wohl solide sei. Natürlich ist die wirtschaftliche Gesamtsituation die mit Abstand wichtigste Erfolgsdeterminante der Bundesregierung unverändert schaurig. So schaurig, dass es bis auf weiteres auf diesem Felde keine rein guten Nachrichten gibt, sondern nur weniger schlechte. Politik ist derzeit ein anderes Wort für 'Notmaßnahme'. Das gilt allerdings nicht nur für Schröder und seine rot-grüne Koalition, sondern für alle."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock vermutet, dass dem Finanzminister bei dem Vorschlag, eine populäre Steuerentlastung im Wesentlichen auf Pump zu finanzieren, nicht besonders wohl gewesen sein dürfte. Dort heißt es:

"Fünf Milliarden Euro mehr Schulden sind kein Pappenstiel. Doch der Druck des Kanzlers war auch in dieser Frage übermächtig. Schröder braucht den Erfolg auch hier. Und zwar jetzt. Ein weiter zaudernder Hans Eichel hätte nur gestört. Allerdings ist es auch keine finanzpolitische Todsünde, wenn die steuerliche Wohltat zum größten Teil über neue Kredite finanziert wird. Genau kann ohnehin niemand die Wirkung dieser Steuerreform vorherberechnen. Aber Wirtschaft und Bürger brauchen jetzt ein Signal, das sie wieder Vertrauen schöpfen lässt. Dies ist das eigentliche Ziel des finanzpolitischen Aktionismus."

Zum Schluss die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg:

"Wirtschaft und Bürger brauchen jetzt, da die Talsohle durchschritten scheint und sich ein zarter Aufschwung abzeichnet, ein Signal, dass sie wieder Vertrauen fassen lässt. Dies ist auch das eigentliche Ziel der vorgezogenen Reform. Eichels Finanzierung auf Pump kann gut gehen, wenn durch die Reform die Binnenkonjunktur anspringt, die Arbeitslosenzahlen spürbar zurück gehen und die Steuereinnahmen wieder sprudeln. Dann würde über die fünf Milliarden zusätzlichen Schulden bald niemand mehr reden. Es kann aber auch schief gehen. Dann wäre Eichel der Buhmann."