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Pressestimmen von Donnerstag, 2. Februar 2006

Gerhard M. Friese1. Februar 2006

Deutsche Geiseln im Irak / Rentenpolitik

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Die Lage der deutschen Geiseln im Irak nach der Morddrohung ihrer Entführer und die Einigung der großen Koalition, das Renteneintrittsalter bis 2029 auf 67 Jahre anzuheben sind an diesem Mittwoch die zentralen Themen der Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Im Geiseldrama fordert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG:

"Die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt darf sich politisch nicht erpressen lassen auch wenn dies im schlimmsten Fall das Todesurteil für die beiden Männer aus Sachsen bedeuten kann. Der Krisenstab sollte alles versuchen, um die Entführten frei zu bekommen. Das Prinzip der Staatsräson muss aber gewahrt bleiben. Andernfalls würde Deutschland Gefahr laufen, selbst zu einer Geisel terroristischer Gruppierungen in aller Welt zu werden."

Die NÜRNBERGER ZEITUNG verweist auf die Motive der Entführer:

"Die Lage, in der sich die beiden deutschen Geiseln im Irak befinden, ist ernst. Entsprechend groß ist die Angst in Deutschland, die Entführung könnte ein schreckliches Ende nehmen, und dementsprechend groß ist auch die Anteilnahme der Medien. Allerdings ist dies auch genau die Reaktion, die sich die Geiselnehmer versprechen: Die Entführung im Irak und die Situation im Kriegsgebiet sollen möglichst rund um die Uhr die Schlagzeilen in Deutschland beherrschen. Das alleine ist nach Ansicht von Kennern der Szene schon ein ausreichender Grund für die Tat."

Die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN warnen vor zu großem Optimismus:

"Für die schwarz-rote Bundesregierung bedeutet die dramatische Entwicklung im Geiseldrama die bislang schwerste Bewährungsprobe. Die schnellen und gewaltfreien Lösungen bei den Entführungsfällen Susanne Osthoff und Jürgen Chrobog haben möglicherweise den Eindruck erweckt, dass Geiselnahmen zumeist glimpflich enden."

Und im WIESBADENER KURIER lesen wir:

"Als Opfer gedemütigt. Mit der Enthauptung bedroht. Die beiden als Geiseln genommenen Ingenieure aus Leipzig befinden sich in einer entsetzlichen Lage. Die Entführungs-'Industrie³ im Irak hat einen Verbrecher-Typus hervorgebracht, der in seiner Widerlichkeit kaum noch zu überbieten ist."

Die Berliner Tageszeitung DIE WELT schlägt einen Bogen zu der Empörung über die Mohammed-Karikaturenn den arabischen Ländern:

"Während die moslemische Welt sich in Zorn ergeht über die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung, muß sich die deutsche Öffentlichkeit mit Bildern abfinden, die auf schreckliche Weise die Entwürdigung Unschuldiger betreiben. Um Heiliges geht es in gewissem Sinn auch hier: Die Unversehrbarkeit des Individuums, seine Würde ist der letzte Referenzpunkt einer säkularen Ordnung.... Die im Westen gepflegte Logik, dem Terrorismus sei vor allem durch Wohlwollen beizukommen, ist ein Irrtum. Die Methoden der sozialen Pädagogik wirken nicht."

Mit dem Rententhema befasst sich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Merkel und Müntefering haben mit dem Kabinettsbeschluss für Klarheit gesorgt und die Phase der grundlosen Gemütlichkeit in Berlin beendet. Jetzt müssen sie es schaffen, die richtige Entscheidung auch in der Öffentlichkeit offensiv zu vertreten. Das ist nicht einfach in einer Zeit, in der die Unternehmen die letzte Gelegenheit nutzen, um 'ältere' Arbeitnehmer über 50 noch schnell loszuwerden. Die Tatsache, dass heute die Beschäftigungschancen für Ältere miserabel sind, ist kein Argument gegen die Rente mit 67, sondern für eine Entrümpelung bei der Arbeitsmarktregulierung."

Auch die LANDSHUTER ZEITUNG hat Verständnis:

"Wenn die Deutschen älter werden, sich gleichzeitig aber früher aufs Altenteil zurückziehen, muss das Konsequenzen haben, sonst kollabieren die Rentenkassen. Doch verhält es sich wie mit dem berühmten 'Fördern und Fordern' bei Arbeitslosen: Wenn es nicht gelingt, bedeutend mehr Stellen für ältere Arbeitnehmer zu schaffen, laufen die Pläne auf nichts anderes als ein Rentenkürzungsprogramm hinaus. Müntefering hat das Problem erkannt, nun gilt es, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU setzt genau hier an:

"Die Arbeitgeber meiden die vermeintlich unflexiblen und überbezahlten Oldies, vernachlässigen deren Weiterbildung sowie Gesundheitsvorsorge und praktizieren damit einen Jugendwahn, zu dem sie die Politik durch jahrelange Frühverrentungsprogramme auch noch ermuntert hat. Vor diesem Hintergrund ist es schön und gut, dass Müntefering demnächst ein Programm '50 Plus' auflegen will, das die Schieflage am Arbeitsmarkt korrigieren soll. Aber wäre es nicht klüger gewesen, dieses Paket noch vor der Präzisierung seiner Rentenpläne zu präsentieren?"

Die in München erscheinende TZ fordert Sicherheit für die zukünftigen Rentner:

"Die längere Lebensarbeitszeit, die auf eine verkappte Rentenkürzung hinauslaufen wird, ist wohl unvermeidlich. Aber wir sollten uns wenigstens darauf verlassen können, dass dieser Beschluss jetzt Gültigkeit hat! Es darf nicht sein, dass alle paar Jahre wieder «nachgebessert» wird - so wie jetzt so kurz nach der Koalitionsvereinbarung."

Und der Kölner EXPRESS lehnt das Konzept sogar ab:

"Müntefering zäumt das Pferd am falschen Ende auf. Dringlicher als die Erhöhung des Rentenalters wären z. B. steuerliche Anreize für Firmen zur Schaffung neuer Jobs in Deutschland. Was nützt ein höheres Rentenalter, wenn die Zahl der Beitragszahler immer weiter sinkt? Wieder mal wird am kranken Sozialsystem nur halbherzig herumgedoktert und sich vor durchgreifenden Reformen gedrückt."