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Pressestimmen von Donnerstag, 20. April 2006

Ute Wagemann/ Aarni Kuoppamäki19. April 2006

Streit innerhalb der SPD um Steuererhöhungen // Debatte um Rechtsextremismus in Deutschland

https://p.dw.com/p/8Hf9

Steuererhöhungen - mit diesem Wort schreckte der designierte SPD-Chef Beck nicht nur die Opposition auf, sondern auch viele seiner Parteigenossen. Finanzminister Steinbrück widersprach vehement der Auffassung, die Steuern müssten in Zukunft erhöht werden - zusätzlich zur Mehrwertsteuererhöhung. Die Kommentare zahlreicher deutscher Tageszeitungen beschäftigen sich außerdem im zweiten Thema der Presseschau mit dem rassistisch motivierten Überfall auf einen Deutschen äthiopischer Herkunft.

Nach dem Streit um Steuerhöhungen innerhalb der SPD erkennt die FRANKFURTER NEUE PRESSE eine ganz neue Haltung der Sozialdemokraten:

"Es ist nicht zu übersehen, dass bei den Volksparteien ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Hatte es in den vergangenen Jahren immer geheißen, runter mit Steuern und Abgaben, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, werden jetzt wieder munter Steuern- und Beitragserhöhungen propagiert. Natürlich hat Beck Recht, wenn er sagt, der Staat müsse handlungsfähig bleiben. Aber er darf dafür eben nicht das Risiko eingehen, die Produktivität abzuwürgen, die ihn letztlich trägt."

Auch der GENERAL-ANZEIGER sieht den Vorschlag Becks eher skeptisch:

"(...) Die Belastung der Bürger mit Steuern, Abgaben und Gebühren ist immens hoch - und Praxis erfahrene Politiker wie Beck sollten wissen, was es mittlerweile für einen Verschiebebahnhof zwischen diesen Belastungsarten gibt. Nur die Steuerlast zu betrachten, verbietet sich allein schon aus diesem Grund. Es ist deshalb klug, dass sich Parteifreunde von Kurt Beck,wie etwa Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, gegen Steuererhöhungspläne aussprechen. Die Zukunft gehört dem schlanken Staat. Darf's was mehr sein? Nein, danke!"

Der NORDBAYERISCHE KURIER sorgt sich um die Auswirkungen der Ankündigung möglicher Steuererhöhungen:

"Der gerade etwas kauffreudiger gewordene Konsument wird mit politischen Kaltduschen schon wieder in die Defensive gedrängt. Da ist die Gesundheitsreform (...). Am Horizont lauert bereits die Mehrwertsteuer, die zum Jahreswechsel um gleich drei Punkte nach oben geht. Und es war eine fatale Fehlleistung von (...)Kurt Beck, den zwei Schwerpunkten neuer Belastungen für die Bürger mit einem Ruf nach Steuererhöhungen noch einen dritten hinzuzufügen."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER sieht die Kauffreude der Deutschen auch durch eine Studie des Internationalen Währungsfonds getrübt:

"Die IWF-Experten reduzierten ihre Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum 2006 auf ein Prozent - obwohl die Exportwirtschaft vom Weltwirtschaftswachstumweiter profitiert. Doch diese Abhängigkeit vom Export erweist sich zunehmend als Problem. Nur wenn auch im Inland die Nachfrage wieder steigt, wenn die Verbraucher Geld in der Tasche haben, das sie ausgeben können und wollen, kann es zu einem stabilen Wachstum kommen."

Das zweite Thema der Presseschau beschäftigt sich mit dem rassistisch motivierten Anschlag auf einen Deutsch-Äthiopier am Sonntag. Die Regierung verurteilte die Tat als abscheulich, brutal und menschenverachtend. Für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wurde eine Belohnung von 15.000 Euro ausgeschrieben.

Der SCHWARZWÄLDER BOTE aus Oberndorf sieht die Attacke als schlechtes Omen für die kommende Fußball-Weltmeisterschaft: "Es ist die Brutalität, die uns erschüttert. Der grenzenlose Hass und die extreme Gewaltbereitschaft der Täter, die einen 37-jährigen Deutschen äthiopischer Herkunft zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt haben, rütteln die Bevölkerung wieder wach. Eine entschiedene Verurteilung des Gewaltverbrechens schreckt ab, wird das Problem Rechtsextremismus in Deutschland aber nicht lösen. Die innere Sicherheit steht in Frage. Ein schlechtes Zeichen für alle, die im Juni zu Gast sein möchten 'bei Freunden'."

Für die NÜRNBERGER ZEITUNG sind nicht die Opfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland Fremdkörper, sondern die Gewalttäter selbst: "Anzunehmen, dass sie ohne feste Arbeit sind, am Rand der Gesellschaft leben und, selbst deklassiert, Objekte des Hasses brauchen, an denen sie ihre Wut auslassen können. Wer, bitte, integriert diese Menschen? Wer bringt ihnen bei, was Menschenwürde zu bedeuten hat? Sie sind in ihrer Borniertheit Fremdlinge im eigenen Land. Das sollten auch diejenigen begreifen, die immer anderen die Rückkehr nach Ostanatolien empfehlen."

Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe sehen die Diskussion über die Integration von Ausländern als eine der Ursachen für Fremdenfeindlichkeit: "Und die Politik? Die zeigt sich entsetzt und erschüttert, obwohl sie an dem Klima in diesem Lande nicht unschuldig ist. Die gleichen Politiker, die sich nach den Vorfällen an der Neuköllner Rütli-Schule und dem Berliner Ehrenmord-Prozess mit immer radikaleren Vorschlägen bis hin zur Abschiebung von Ausländern überboten haben, rufen nun nach einer angemessenen Antwort auf die Gewaltexzesse rechtsradikaler Jugendlicher. Auch wenn kein direkter Zusammenhang besteht, müssten die Politiker wissen, auf welch explosiven Nährboden derartige Worte bei einer gewaltbereiten Jugendszene fallen, die sich indirekt ermutigt sieht."

Die Ulmer SÜDWEST PRESSE fordert härtere Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit. Das Blatt schreibt: "Wer in dieser Situation daran denkt, die ohnehin bescheidenen Mittel für Projekte gegen Fremdenfeindlichkeit noch zu verringern versündigt sich nicht nur an den Opfern von Gewalt, sondern auch an der Zukunft unseres Gemeinwesens."