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Pressestimmen von Donnerstag, 21. Dezember 2006

Thomas Grimmer 20. Dezember 2006

Bushs Irak-Strategie / Rolle des Bundespräsidenten

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Die Äußerung von US-Präsident George W. Bush, die USA würden den Krieg im Irak "nicht gewinnen und nicht verlieren" und die Amtsführung von Bundespräsident Horst Köhler sind an diesem Donnerstag zentrale Kommentarthemen in der deutschen Tagespresse.

Im WESTFÄLISCHEN ANZEIGER aus Hamm heißt es zum Bush-Zitat:

"Nur 48 Stunden nach Amtseinführung seines neuen Verteidigungsministers (Gates) überraschte US-Präsident Bush mit einer Äußerung, die eine seit langem ernüchterte Weltöffentlichkeit ihm kaum jemals zugetraut hätte: Der Krieg im Irak sei kaum mehr zu gewinnen. Die nur realistische Einschätzung wäre auch vor den ersten US-Bombenabwürfen auf die irakische Hauptstadt Bagdad möglich gewesen. So kommt sie um eine handfeste außenpolitische Krise, einige aus dem Fenster geworfene Milliarden Dollar und knapp 3.000 tote US-Soldaten zu spät."

Das OBERMAIN-TAGBLATT aus Lichtenfels gibt zu bedenken:

"Krieger Bush will nicht einsehen, dass seine Militärmacht auf tönernen Füßen steht, wenn die Not in der Welt wächst. Eine halbe Billion Dollar ließ er sich seit 2001 für die Kriege im Irak und Afghanistan bewilligen. Wäre das Elend mit ähnlich viel Geld bekämpft worden, gäbe es weniger Verzweifelte, die sich für Selbstmordaktionen rekrutieren lassen, weil sie nicht an ein besseres Dasein glauben."

Die in Erfurt erscheinende THÜRINGER ALLGEMEINE bemerkt:

"Von vornherein war klar: Wenn die USA einen Strategiewechsel im Irak einleiten wollen, kommt er nicht mit George W. Bush. Nach der Niederlage bei den Parlamentswahlen gestand der Präsident notgedrungen ein, den Empfehlungen der Baker-Kommission folgen zu wollen. Deren Ratschlag, die Truppen zu reduzieren und mehr einheimische Sicherheitskräfte auszubilden, verkehrt Bush nun jedoch ins Gegenteil."

Auch für die Heidelberger RHEIN-NECKAR-ZEITUNG wäre eine Aufstockung der US-Truppen im Irak kontraproduktiv:

"Dass Bush inzwischen auch davon redet, dieser Krieg sei nicht zu gewinnen, ist nur vordergründig bemerkenswert. Seine Militärs sagen es ihm inzwischen auch öffentlich: Er hat dort die beste Armee der Welt verschlissen. Deshalb will er sie längerfristig aufstocken. Aber nichts spricht dafür, dass sich am derzeitigen Abnutzungskampf im Irak, bei dem die US-Soldaten zwischen allen Fronten einer Bürgerkriegs-Situation stehen, etwas ändern könnte. In Kürze wird die Zahl des 3.000. gefallenen US-Soldaten durch die Schlagzeilen gehen. Bush setzt noch einmal auf militärische Verstärkung. In der trügerischen Hoffnung, dies könne die Übergangsregierung dort in den Stand versetzen, die staatliche Macht spätestens 2008 zu übernehmen. Er ersetzt damit eine geplatzte Illusion durch die nächste."

Zum zweiten Thema: Nachdem Bundespräsident Horst Köhler zuletzt zwei Gesetzesvorhaben der großen Koalition gestoppt hatte, wurde seinem routinemäßigen Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel diesmal mehr Aufmerksamkeit zuteil als sonst. Die Leitartikler finden für die Amtsführung des Staatsoberhaupts vor allem lobende Worte.

So zum Beispiel die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz:

"Horst Köhler ist aufsässig und das ist keine momentane Laune. Das dürfte die Bundeskanzlerin mittlerweile erkannt haben. (...) Er sorgt sich um die Zukunft der Nation. Der Bundespräsident weiß, dass Deutschland sich selbst durch einen anhaltenden Boom nicht von seinen Grundproblemen befreien kann. Es sind die sozialen Strukturen, die das Land fesseln. Genau deshalb mahnt er genau jetzt weitere Reformen an. (...) Der Bundespräsident ist nicht nur der erste Mann im Staat, sondern auch sein fundiertester und konstruktivster Kritiker."

Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf kommentiert:

"Wenn Kanzlerin Angela Merkel (...) den Bundespräsidenten (...) unter vier Augen spricht, wird sie ermahnt, den Reformkurs zu forcieren, statt großkoalitionär zu erlahmen. Köhler hat Recht, aber er hat auch gut reden: Die Nummer eins im Staat muss sich keiner Volkswahl stellen. Ihr für die Regierenden unbequemes Drängen, Mahnen, Einmischen wird sogar vom Volk besonders geschätzt. Liegt das womöglich daran, dass das Volk ahnt, dass den goldenen Worten aus 'Bellevue' schon nichts Heikles folgen werde? (...) Der Beweis, dass die deutschen Schönwetterdemokraten bittere Diagnosen nicht nur hören wollen, sondern auch harte Therapievorschläge akzeptieren, ist noch nicht erbracht."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt meint zu Köhlers Art, sein Amt auszufüllen:

"Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hält sich Bundespräsident Horst Köhler nicht an die Regeln, unverbindlich und diplomatisch zu sein. Köhler, nie richtiger Politiker, stört mit Vorsatz den konsensorientierten Berliner Politikbetrieb, obwohl er dafür kein Mandat hat. Damit deutet er das repräsentative Amt des Bundespräsidenten um."

Abschließend noch ein Blick in die STUTTGARTER ZEITUNG:

"Die einen werden ihn für starrsinnig halten, die anderen den Mann bewundern. Horst Köhler jedenfalls bleibt dabei: Er will ein unbequemer Präsident sein. (...) Im Zweifel stellt sich das eingeschriebene CDU-Mitglied Köhler so auch gegen seine eigene Partei, deren Votum er seine Wahl zum Staatsoberhaupt verdankt. Es ist der Wirtschaftsfachmann in Köhler, der ihn auf diesen Kurs des beharrlichen Drängens führt. Als angelernter Politiker weiß er, wie eng der Spielraum der Kanzlerin (...) ist, als Experte mag er sich damit aber nicht begnügen."