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Pressestimmen von Donnerstag, 21. Juni 2007

Siegfried Scheithauer20. Juni 2007

Kompromiss bei Sanierung der Telekom

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Bei den Beschäftigten der Deutschen Telekom machte sich nach dem Kompromiss zwischen ihrer Gewerkschaft ver.di und der Konzernspitze Enttäuschung breit. Auch die Meinungsmacher der deutschen Tagespresse bleiben bei ihrer Bewertung der Telekom-Sanierung skeptisch.

Die FRANKFUR TER ALLGEMEINE bilanziert:

'Für die Telekom markiert der erste Arbeitskampf seit ihrer Privatisierung eine Wende. Der langjährige Burgfriede mit der Gewerkschaft ist vorbei. Der Konzern kann es sich nicht mehr leisten, Milliardenbeträge für Vorruhestands- und Abfindungsprogramme auszugeben und die übrige Belegschaft im teuer bezahlten alten Trott weitermachen zu lassen. (...) Für beide Seiten war es der Anfang einer schmerzhaften Anpassung an die Wirklichkeit, nicht das Ende.'

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND kommentiert:

'Telekom-Chef Obermann hat den Machtkampf mit der Gewerkschaft ver.di unbeirrt geführt. Er hat diesen Kampf am Ende weitgehend gewonnen. Die Gewerkschaft, die bei der Ex-Behörde Telekom einst eine Macht war, an der niemand vorbeigehen konnte und wollte, muss sich damit abfinden, dass ihr wochenlanger historischer Streik nicht mehr war als ein passables Rückzugsgefecht.'

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock sieht die Telekom klar als 'Sieger nach Punkten':

'Nach einem spektakulären Schlagabtausch konnte der Konzern seinen Gegner, die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, zwar nicht ausknocken, geht aber am Ende von sechs zähen Verhandlungsrunden als klarer Gewinner aus dem Ring. Obwohl ver.di wochenlang Tausende Mitarbeiter streiken ließ, blieb die Konzernspitze standhaft und hat von ein paar Blessuren abgesehen ihre Ziele erreicht.'

Sieg ja, aber keine schnellen Erfolge, meint der SCHWARZWÄLDER BOTE aus Oberndorf:

'Aus der Sicht der Kapitalmärkte ist Chefmanager Obermann der Sie ger. Zwar wird 50.000 Mitarbeitern nun doch nicht so schnell und dreist in die Tasche gegriffen, aber sie müssen - nach Ablauf gewisser Schonfristen - für weniger Geld länger arbeiten. Die Telekomführung ficht dieses Zugeständnis kaum an, entfaltet sich die ganze Wucht ihres durchgesetzten Sparprogramms doch erst bei Neuzugängen. Deren Einstiegsgehälter dürften nämlich um mehr als 30 Prozent unter dem heutigen Niveau liegen.'

'Keine grundlegende Besserung', aber immerhin eine nützliche 'Atempause' für die Telekom, urteilt die STUTTGARTER ZEITUNG und fährt fort:

'Auswege sind die Erschließung neuer Märkte und die Expansion im Ausland. In Deutschland wird der Umsatz voraussichtlich schrumpfen. Dazu tragen auch die Internet-Telefonie und andere neue Techniken bei. Weiterer Personalabbau wird folgen. Die Telekom muss nun versuchen, diesen Trend mit günstigeren Preisen und besserem Service zu verlangsamen. Die Einigung gibt ihr die Möglichkeit dazu.'

'Noch nicht über den Berg', schreibt auch das MAIN- ECHO aus Aschaffenburg:

'Die jetzt gefundene Tarifeinigung ist nur eine notwendige, keineswegs hinreichende Bedingung für die Gesundung der Telekom. Auf Konzern-Chef Obermann wartet noch jede Menge Arbeit. Auf die Frage, wie die Telekom Millionen verprellter Kunden zurückgewinnen will, hat das Management bis zum heutigen Tag noch keine schlüssige Antwort präsentiert.'

Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster warten noch auf die große Lösung:

'Der Tarifkompromiss mit ver.di ist nur ein erster Sch ritt bei der Eindämmung der drückenden Kostenlast des rosa Riesen. Ob der Umbau der Telekom tatsächlich die erwarteten Einsparungen von bis zu 900 Millionen Euro bringt, ist zweifelhaft. Außerdem dürften die Preise in der Telekommunikation bald weiter stark unter Druck geraten, sodass Vorstandschef Obermann dringend neue Einsparpotenziale finden muss.'

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt bringt an dieser Stelle die traditionellen Schwächen der Telekom in Erinnerung:

'Die Konkurrenz, klein, aggressiv , drückt die Entgelte, kombiniert Angebote, reagiert unverzüglich auf Veränderungen am Markt. Die Telekom zieht oft nur nach, zu wenig für einen Marktführer. Die Preisspirale dürfte bald am unteren Ende sein. Wer überdreht, ist ruiniert, wissen die Telekom-Führer. Nun gilt es, auch an der Kostenschraube inne zu halten. Die Belegschaft hat ihren Zukunftsbeitrag geleistet - jetzt ist das strategische Management gefragt.'

Das Resumee der ESSLINGER ZEITUNG liest sich folgendermaßen:

'Ziel ist es, schnell wieder ein gutes Betriebsklima zu schaffen. Vergessen werden darf aber nicht: Der Konzern befindet sich weiterhin in wirtschaftlicher Schieflage. Nach wie vor sind zu viele Mitarbeiter mit Beamtenstatus an Bord, nach wie vor belastet der Preiswettbewerb die Deutsche Telekom stärker als die wendigen Konkurrenten und nach wie vor ist der Kurs der T-Aktie eine Katastrophe. --- Und nach wie vor lauern Finanzinvestoren auf ihre Chance. Viel Zeit zum Verschnaufen bleiben dem Management und der Belegschaft nicht.'

Abschließend sei hier der Ausblick des BERLINER KURIERS zitiert: 'Die Kunden werden das Ende des Arbeitskampfes begrüßen, denn künftig will der Konzern ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken. Das ist auch nötig. Die Konkurrenz am Markt ist stark. Allerdings müssen die Telekom-Mitarbeiter nun härter ran, mehr ackern. Das löst keine Begeisterung aus. --- Aber: Neben den längeren Arbeitszeiten steht auch Kündigungsschutz im Tarifvertrag. Bis 2012 sind Tausende Jobs sicher. Das macht den schmerzhaften, teuer erkauften Kompromiss gerade noch erträglich.'