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Pressestimmen von Donnerstag, 25. September 2003

zusammengestellt von Christina Pannhausen25. September 2003

Begegnung zwischen Schröder und Bush / Kopftuch-Urteil

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Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse beschäftigen sich vorrangig mit dem Treffen zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Außerdem geht es um die Entscheidung des Bundesverfassungsrichtes, Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches im Unterricht nicht grundsätzlich zu verbieten.

Die BERLINER ZEITUNG schreibt zum Treffen des Bundeskanzlers mit George W.Bush:

"Schröder hat es verstanden, den Weg aus der Abhängigkeit von der amerikanischen Hegemonialmacht populär zu gestalten und für sich zu nutzen. Nun wird die Außenpolitik also in Berlin gemacht. Aber welches sind die Kriterien, welches sind die deutschen Interessen in der Welt, der sie folgt? Die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik, die Stärkung der Vereinten Nationen und schließlich auch ein produktives Verhältnis zur Supermacht USA - das müssten Ziele einer selbstbewussten deutschen Außenpolitik sein."

Die Zeitung DIE WELT konstatiert:

"Gerhard Schröders Treffen mit George. W. Bush und die Rede des Bundeskanzlers vor der UN-Vollversammlung beenden vorläufig eine gefährliche Krise. Beim Thema Irak waren zum ersten Mal seit Jahrzehnten amerikanischer und deutsch-französischer Missionsdrang gleichermaßen aufeinander geprallt. Beide Seiten, nicht nur Washington, behandelten einander nach dem Leitsatz: 'Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.' Der Riss bedrohte das Fundament der UNO. Beide Seiten haben sich nun zu der Einsicht durchgerungen, dass dies in niemandes Interesse liegt. Gerhard Schröder trug dem Rechnung."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf mahnt:

"Die Bilder des lächelnden Duos täuschen eine falsche Herzlichkeit vor. Die US-Seite könnte dem Irrglauben erliegen, eine Versöhnung mit Schröder bedeute eine Loslösung von Paris. Auch wenn Berlin im Gegensatz zu Paris die EU nicht zum Gegenpol zu den USA ausbauen will: Die Weltsicht der Bundesregierung ähnelt viel mehr der von Chirac als der von Bush. Deutschland und die USA sind auch nach beendetem Streit kein Motor."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder beleuchtet die Haltung der USA:

"Schon fast devot hat Schröder die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte angeboten und betont bei jeder Gelegenheit das Bundeswehr-Engagement in Afghanistan. Ob Bush auf die Avancen eingeht, vielleicht sogar seinen Kurs überdenkt, wird maßgeblich von der weiteren Entwicklung im Irak abhängen. Bis jetzt hat sich in Washington trotz anhaltender personeller Verluste und wachsender finanzieller Belastungen nicht die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Land allein besiegt, aber offenbar nicht allein befriedet werden kann."

In der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND heißt es zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Kopftuch-Streit:

"Mit ihrem gestrigen Kopftuch-Urteil haben sich die Verfassungsrichter aus der Affäre gezogen: Ob eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch unterrichten darf, hätten nicht Behörden und Gerichte zu entscheiden, sondern der Gesetzgeber. Damit drückt sich das höchste deutsche Gericht um eine Grundsatzentscheidung herum und vergibt die Chance, ein Zeichen für die Trennung von Staat und Kirche zu setzen."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU glaubt:

"Genau vor der Frage, wo die Grenzen liegen zwischen religiöser und weltanschaulicher Kenntlichkeit von Lehrern und missionarischer Einflussnahme, haben sich die Verfassungsrichter gedrückt. Hätten sie den Mut zur Entscheidung gehabt, sie hätten befinden können, dass das verhüllende Kopftuch keineswegs verpflichtendes islamisches Glaubensbekenntnis ist. Es ist das - nicht immer freiwillige - Symbol für politische und kulturelle Abgrenzung von westlichen Werten und von einem aufgeklärten Frauenbild. Beide Signale haben im Klassenzimmer des 21. Jahrhunderts nichts zu suchen."

Der MANNHEIMER MORGEN zieht folgendes Fazit:

"Etwas mehr Verständnis für den Islam könne da nicht schaden, findet nicht nur das Verfassungsgericht. Letztlich ist es in der Tat eine Frage der Toleranz. Es gehe auch darum, 'wie viel fremde Religiosität diese Gesellschaft verträgt', sagte anfangs der Vorsitzende Richter Hassemer. Er hat die Frage nicht beantwortet. Das muss wohl jeder für sich tun."