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Pressestimmen von Donnerstag, 26. Mai 2005

zusammengestelt von Herbert Peckmann25. Mai 2005

Rätselraten um neue Linkspartei / Vorbereitung von Bundestagsneuwahlen

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Die mögliche politische Bedeutung einer neuen Linkspartei und die Auswirkungen der geplanten Neuwahlen sind Hauptthemen der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen.

Zu der geplanten Linkspartei schreibt die NÜRNBERGER ZEITUNG:

"Derzeit wird fieberhaft nach einem Weg gesucht, die beiden prominentesten Zugpferde, Lafontaine und Gregor Gysi, vor einen gemeinsamen Karren zu spannen. Ein solches Dream-Team, so das Kalkül, müsste alle Sozialreformer das Fürchten lehren! Unterhaltsam wäre es, zwei Solisten beim Pas de deux zu erleben. Wer wird da wem die Schau stehlen? Wer bremst seine Starallüren zu Gunsten des anderen? Oder, um es mit Kurt Beck zu formulieren: 'Haben Sie schon mal zwei Gockel auf einem Misthaufen gesehen - wie soll das gutgehen?' "

Auch die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND greift das Thema auf:

"Eine neue Linkspartei würde vor allem von der Schwäche der SPD profitieren, die zermürbt und erschöpft von den Graben- und Wahlkämpfen am Boden liegt. Sie hätte zudem den Charme des klareren Profils: Vermögensteuer statt Senkung der Unternehmenssteuer, könnte sie lauthals fordern, statt, wie die SPD, beides irgendwie vereinen zu wollen - selbst wenn sie programmatisch in einem fiskalischen und ökonomischen Paralleluniversum verharrt. Dass auch rot-rote Landesregierungen ungeachtet aller 'Weg damit!'-Rhetorik tiefe Einschnitte beschlossen haben und brav Hartz IV umsetzen, mag den Traum eher noch beflügeln. Am linken Rand ist ein Vakuum entstanden, hervorgerufen durch einen Reformkurs ohne Überbau, der mit allerlei programmatischen Versatzstücken und Schlagworten angeschoben wurde und die SPD überfordert hat."

Die BERLINER ZEITUNG kommentiert die Auswirkung der Neuwahlpläne von Kanzler Schröder auf die CDU-Fraktionschefin:

"Angela Merkel kann ihr Glück kaum fassen. Der Bundeskanzler hat sie und mit ihr die Union in eine komfortable Situation gebracht. Durch die überraschend angekündigten Neuwahlen fällt das monatelange Ringen der Union um die Kanzlerkandidatur aus. Es wäre zwar ohnehin deutlich unspektakulärer gewesen als 2002, als Edmund Stoiber sich schließlich durchsetzte. Aber ein paar Schienbein-Tritte hätte Angela Merkel sicher noch mitbekommen aus den Reihen der lächelnden Unions- Männer, wenn noch ein wenig mehr Zeit gewesen wäre. Zudem ist der Wahlsieg von CDU/CSU nun fast unausweichlich: Die Union befindet sich im Umfragehoch."

Für die Zeitung DIE WELT wirkt die Aussicht auf baldige Neuwahlen - Zitat - "wie eine Erlösung". Das Blatt meint:

"Die Vorstellung, dass sich das quälende Siechtum der Regierung noch über viele Monate hinziehen könnte, ist ein Horror. ... Aber die Art und Weise, wie die Politik über alle staatsrechtlichen Bedenken hinwegfegt, auch über jene Normen der Verfassung, die sie disziplinieren sollen, und die Institutionen, die dazu geschaffen wurden, hinterlässt einen unguten Beigeschmack. Schröders Überraschungscoup ist das eine, aber dass sich die deutsche Politik ohne Zögern auf einen solchen Stil einlässt, ist das andere."

Die MÄRKISCHE ODER-ZEITUNG aus Frankfurt an der Oder beleuchtet die unveränderten politischen Herausforderungen in Deutschland:

"So entschlossen zur Regierungsübernahme die Union jetzt auch auftritt, sie stünde - im Erfolgsfalle - im Herbst vor den gleichen Problemen wie Rot-Grün bei nicht sehr viel besserer innerer Verfassung. Sie wird deshalb auch gar nicht erst versuchen, sich inhaltlich schärfer zu profilieren. Sie könnte sich ja ernstlich darüber zerstreiten. Stattdessen wird sie ein bisschen nacharbeiten, die großen Leitlinien betonen und vielleicht auch ein paar Verbesserungsvorschläge im Detail, wie jetzt zu Hartz IV, unterbreiten. Sehr viel mehr aber wird nicht passieren. Die notwendigen Grausamkeiten werden später bekannt gegeben. Wenn denn die politische Kraft dafür reicht."

Schließlich noch der KÖLNER STADT-ANZEIGER:

"Beinahe unabhängig von ihrem Ergebnis markieren die Neuwahlen des Bundestages im September dieses Jahres eine gesellschaftliche Zeitenwende. Sie reicht tiefer als die Regierungswechsel in den Jahren 1982 (von Schmidt zu Kohl) und 1998 (von Kohl zu Schröder). Es geht um eine Neubestimmung der Rolle des Staates und der Verantwortung des Bürgers. Zum ersten Mal können die Deutschen über die verschiedenen Ansätze der Reformpolitik entscheiden."