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Pressestimmen von Donnerstag, 27. November 2003

ausgewählt von Gerd Winkelmann 27. November 2003

Der Bundestag und seine Generaldebatte / Gersters Image

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Alljährlich wird sie von innenpolitischen Auguren mit Spannung erwartet und verfolgt. Die Bundestags-Debatte um den Kanzleramts-Etat wurde auch in diesem Jahr zur politischen General-Abrechnung. Die TZ aus München bewertet die Vorstellung an diesem Donnerstag wie folgt:

'Generaldebatten werden in politisch ruhigeren Zeiten eher unter sportlichen Gesichtspunkten betrachtet. Diesmal achteten Beobachter aber vor allem auf die Zwischentöne in den Reden Angela Merkels und Guido Westerwelles. Denn es geht um unser aller Geld: Wenn die Opposition entschlossen ist, im Vermittlungsausschuss zu blockieren, ist es Essig mit der vorgezogenen Steuerreform. In dieser Hinsicht war die Debatte um den Kanzleretat gestern nicht sehr ermutigend: Merkel legte die Hürden für einen Kompromiss so hoch, dass die Hoffnung auf eine Einigung bis Weihnachten sinkt. (...) Da im Moment jede öffentliche Äußerung ein Trumpf im Verhandlungs-Poker ist, kann niemand mit Sicherheit sagen, was nur Bluff oder was endgültige Blockade ist. Noch ist alles offen und am Ende steht vielleicht doch ein Kompromiss, bei dem wir alle Sieger sind - und nicht die Dummen.»

Der Kommentator der Tageszeitung DIE WELT meint:

'Bei der Generaldebatte zum Bundeshaushalt präsentiert sich die Politik als Schauspiel. Selten wurde allerdings ein Stück lustloser inszeniert als die Etatdebatte 2004. Nicht die Hauptdarsteller sind daran schuld, sondern der Spielplan. Das bedeutendste politische Schauspiel, Wohl und Wehe der Agenda 2010, ist eben nicht auf der großen Bühne der Demokratie zu bewundern, sondern wird in der Rumpelkammer der Republik geprobt. Und solange der Vermittlungs-Ausschuss brütet, beschäftigt sich der Bundestag mit anderem - etwa mit der Frage, wer den absurdesten Beitrag zum Thema Patriotismus zu leisten in der Lage ist.'

In der NEUEN RUHR/NEUEN RHEIN ZEITUNG aus Essen lesen wir:

'Die Bundesregierung hat die Wahl. Sie kann auf Pump eine Steuer-Reform vorziehen oder 2004 die Stabilitätskriterien erfüllen. Auf EU-Ebene ist der Zielkonflikt entschieden - in der Hoffnung auf mehr Wachstum. Wie ein Bumerang kehrt die Frage nach Berlin zurück. Die Parallelen: So wie die Kommission das Heft des Handelns an den Ministerrat abgab, so spielt die Musik nicht im Kabinett Schröder, sondern im Vermittlungsausschuss. (...) In Berlin entscheidet sich, ob die Brüskierung der EU-Kommission sich nationalstaatlich auszahlt. Der Leidensdruck war bei der Etatdebatte zu spüren. 'Vogel, friss oder stirb' war nicht die Formel, der sich der Kanzler in Brüssel unterordnen wollte. Das ist ebenso wenig die Umgangsform daheim. Er wird der Union entgegen kommen müssen, vielleicht weiter als es ihm lieb ist (...).

Themenwechsel: Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert die Lage des viel kritisierten Chefs der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit:

'Den Nachweis hat Florian Gerster überzeugend geliefert: Er braucht Kommunikationsberatung. Und zwar doppelt. Erstens fürs Amt. Der Umbau der von ihm geleiteten Großbehörde ist nicht damit getan, dass man das Schild 'Bundesanstalt für Arbeit' gegen eines auswechselt, wo dann 'Agentur' draufsteht. (...) So was kostet, und es ist nicht Florian Gersters Schuld, dass die einschlägige Branche kein Niedriglohn-Sektor ist. Überzeugender ist dem Anstaltsleiter freilich der Nachweis gelungen, dass, zweitens, er selber der Kommunikationsberatung bedürftig ist. (...) Gersters 'Kunden' sind zumeist Menschen in Bedrängnis. Dass dies Folgen für den kommunikativen Stil hat, ist dem Mann offenbar partout nicht beizubringen. Wo Beratung nichts fruchtet, sind auch kompetente Leute mit ihrem Job überfordert.'

Zum selben Thema noch ein Blick in die BERLINER ZEITUNG:

'Sollte es das Ziel der gewiss herausragenden Experten auf dem Gebiet der Imagepflege gewesen sein, das Prestige Gersters möglichst wirkungsvoll und nachhaltig öffentlich zu ruinieren, hätten sie jeden Cent aus dem Haushalt der Bundesanstalt redlich verdient. Nicht erst der jüngste Fall verweist auf ein prinzipielles Problem der Politik. Es besteht darin, fast jedes Problem fast immer für ein Imageproblem zu halten. (...) Imageberater werden das nie begreifen, aber nicht zuletzt deshalb haben sie völlig zu Recht ein nicht zu unterschätzendes Imageproblem.'