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Pressestimmen von Donnerstag, 28. August 2003

Marko Langer27. August 2003

Afghanistan-Einsatz / Rürup-Kommissions-Bericht

https://p.dw.com/p/40zw

Im Mittelpunkt der Kommentare stehen der erweiterte Afghanistan- Einsatz der Bundeswehr und die Vorschläge der Rürup-Kommission zur Reform der Sozialsysteme.

Doch zunächst zum Thema Afghanistan. Die KIELER NACHRICHTEN sind skeptisch und fragen:

"Was sollen deutsche Soldaten in Kundus? Die Zentralregierung in Kabul stützen, sagt der Kanzler. Wie, bitte? Die Provinzhauptstadt ist die Hochburg des mächtigen Strippenziehers Fahim. Ihm werden engste Verbindungen zu den Kriegsfürsten der rivalisierenden Stämme im Land nachgesagt; er ist Gegenspieler von Karsai; er unterhält eine Privatarmee von mehreren 1000 Mann. Was ist, wenn sich Fahims Soldaten mit den Warlords zusammenschließen? Was, wenn Taliban deutsche Soldaten als Geiseln nehmen? Auch wenn die Wahrschein- lichkeit dafür nicht groß sein mag: Die entscheidende Frage
ist, ob es in Afghanistan bedeutende deutsche Interessen gibt, die es rechtfertigen, das Leben von Soldaten zu riskieren."

Zu einem ähnlichen Schluss kommt die SAARBRÜCKER ZEITUNG:

"Präsident Karsai beherrscht nur einen Bruchteil des Landes wirk- lich. Drogenbarone, Warlords und Clanfürsten sind seine Widersacher um die Macht - und die erstarkten Taliban-Terroristen. Hier gilt es, entschiedener anzusetzen. Befriedung macht nur dann wirklich Sinn, wenn zugleich auch Friedenstruppen stärker ins Land ausschwärmen - aber dann soll man auch sagen, dass sie deutlich vergrößert werden müssten und über ein 'robustes' Mandat verfügen sollten. Sonst gleichen die jüngsten Berliner Überlegungen einem Tanz auf der heißen Herdplatte. Ein paar Kompanien mehr ersetzen eben noch
lange kein Konzept."

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG in Halle dagegen hält die Entscheidung der Bundesregierung zur Hilfe beim Wiederaufbau Afghanistans für richtig, betont jedoch:

"Kritikwürdig ist aber die Zaghaftigkeit, mit der dies die beteiligten Staaten einschließlich Deutschlands tun. Um das Land zu stabilisieren und bei der Demokratisierung zu begleiten, bedürfte es einer viel größeren Anzahl an Helfern und Soldaten.»

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bilanziert:

"Schröder will vor allem das gestörte Verhältnis zum amerikanischen Präsidenten verbessern. Daneben aber ist die Entsendung der vermut- lich zum Scheitern verurteilte Versuch, sich durch die Wahl des kleineren Übels Kundus dem größeren Übel eines Engagements im Irak zu entziehen. Diese Taktik schlug schon fehl, als es noch um so vergleichsweise harmlose Einsätze wie den in Mazedonien ging."

Vor der offiziellen Vorstellung der Vorschläge der Rürup-Kommission zur Reform der Sozialsysteme finden sich in den Kommentaren vor allem kritische Stimmen. Die BERLINER ZEITUNG etwa schreibt:

"Innovatives findet sich in den Vorschlägen der Rürup-Kommission wenig: Eine steuerfinanzierte Grundrente? Verworfen. Eine echte Bürgerversicherung, in die auch Beamte und Selbständige einzahlen? Abgelehnt. Eine deutlichere Besserstellung kinderreicher Familien? Keine Chance. Eine Reform, die auch mutig und zuversichtlich macht, wird aus den Rürup-Vorschlägen nicht hervorgehen. Dass die Parteien die Kraft dazu aufbringen, scheint ausgeschlossen. Verheerend ist das, weil die Lobby gegen die Reform von Jahr zu Jahr stärker wird: Bald schon ist jeder zweite Wähler in Rente. Die Zeit für einen gründlichen Umbau des Systems läuft deshalb davon."

Und der KÖLNER STADT-ANZEIGER meint:

"Anders als noch vor einem Jahr, als die Hartz-Kommission ihre Anregungen für eine Reform der Arbeitsmarktpolitik präsentierte, ist von einer Eins-zu-Eins-Umsetzung der Empfehlungen diesmal erst gar nicht die Rede. Rürup ist eben nicht Hartz, den durchaus der Nimbus eines Sozial-Gurus umgab. Seinem Bericht fehlt der zuversichtliche Tenor, dass der Sozialstaat zukunftstauglich zu machen sei. Wäre ein solcher Grundton klarer vernehmbar, würden sich Politik und Öffent- lichkeit mit den unangenehmen Wahrheiten leichter tun. Die Rürup- Truppe ist aber eindeutig besser gewesen als ihr Ruf. Sie hat zum Wachsen der Erkenntnis beigetragen, dass ein Umbau des Sozialstaats unvermeidlich ist. Das sollte jetzt bei allem berechtigtem Streit über Einzelpunkte nicht klein geredet werden."