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Pressestimmen von Donnerstag, 29. November 2001

Helmut Schmitz.29. November 2001

Haushaltsdebatte im Bundestag / Afghanistan

https://p.dw.com/p/1QJ8

Herausragendes Thema der Kommentare deutscher Tageszeitungen ist an diesem Donnerstag die Generaldebatte im Bundestag zum Haushalt 2002.
Auch der Kampf gegen den Terror findet Beachtung.

Zur Haushaltsdebatte schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE:

"Ist die Regierung angesichts der Verdüsterung des Konjunkturhimmels noch auf dem richtigen Weg, oder müssen Korrekturen her? Der Bundeskanzler verteidigte seine Politik des Gebens und Nehmens - sprich: der Umverteilung von Steuermitteln, Rechten und Pflichten - als die einzig wahre Balance zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, obwohl die jüngste Entlassungswelle ihn lehren sollte, dass dieses Gleichgewicht nicht mehr besteht. Allen Aufforderungen der Opposition, die Fesseln zu lockern, welche die Eigendynamik der Wirtschaft hemmen, begegnete Schröder mit dem Standardargument der sozialen Kälte. Doch an steigenden Arbeitslosenzahlen wird sich niemand wärmen können. Der rot-grüne Tanker hat in sonnigen Zeiten Fahrt aufgenommen. Schröders Unfähigkeit, ihn in schwerer See manövrierfähig zu halten und
notfalls den Kurs zu ändern, nimmt beunruhigende Formen an. Es wird Zeit, sich nach Rettungsbooten umzusehen."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf meint:

"Wie sehr die Selbstgewissheit der Regierung mit Blick auf das Wahljahr 2002 schwindet, war am Stil der gestrigen Debatte abzulesen: Getreu dem Motto, dass Angriff immer noch die beste Verteidigung ist, schossen sich die Redner der Koalitionsfraktionen auf die Opposition ein - ganz so, als säßen nicht Gerhard Schröder und Joschka Fischer,
sondern Angela Merkel und Guido Westerwelle auf der Regierungsbank.
Dass SPD-Fraktionschef Peter Struck gar weite Teile seiner Rede der CDU-Spendenaffäre widmete, um von der Kritik der Union abzulenken, legte den Verdacht nahe, dass die SPD im Kampf der Argumente bereits ihr letztes Pulver verschossen hat."


In der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG lesen wir:

"In der Zwischenprüfung einer X-beliebigen Denkfabrik für politische Konzeption wäre Angela Merkel mit ihrer gestrigen Bundestagsrede durchgerasselt: Thema verfehlt, nichts dahinter. Doch darum ging es nicht bei der Generalabrechnung mit der Regierung, ein Jahr vor der
Neuwahl. Entscheidend war, wie Merkel mit der Belastung fertig wird, fünf Tage vor dem CDU-Parteitag eine angriffslustige Bewerbungsrede für den Job der Kanzlerkandidatin zu halten. Das ist ihr gelungen.
Mit Merkel ist zu rechnen. Aber immerhin verfügt Rot-Grün mit Schröder und Co-Trainer Fischer über zwei unumstrittene Teammanager.
Solange bei der Union die 'Kanzler'-Frage ungeklärt ist, kann
deshalb die Koalition im Sach-Streit entwischen. So wie gestern."

Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER bemerkt:

"Nein, die erwartete Redeschlacht kam gestern im Bundestag nicht zu Stande. Stattdessen überboten sich die Kontrahenten Schröder, Merkel, Westerwelle, Schlauch und Co. mit altbekannten Schuldzuweisungen und ebensolchen - daraus abgeleiteten - durchsichtigen Forderungen.
Parteipolitik also dominierte die Generaldebatte über den Haushalt 2002. Für neue Gedanken - etwa in der Arbeitsmarktpolitik - war knapp neun Monate vor der nächsten Bundestagswahl kein Platz. Und so debattierten und polemisierten sich die Redner durch den Vormittag
und hatten doch nur eines im Sinn: Sich und ihre Partei für die kommende Wahl herauszuputzen."

Themenwechsel. Der MANNHEIMER MORGEN befasst sich mit der Reaktion des Bundeskanzlers auf eine mögliche Ausweitung des Kampfes gegen den Terror auf andere Staaten:

"Schröder hat die Bremse gezogen. Zum einen will er eine erneute Aufregung in seiner SPD sowie bei den Grünen vermeiden, wo die heißen Debatten um die Bundestags-Entscheidung gerade am Abklingen sind. Zum anderen sieht er das Risiko für das Bündnis gegen den Terror: Sobald
die USA den Kampf gegen den nächsten Staat aufnehmen, müssen sie damit rechnen, dass aus der fast weltweiten Koalition Partner ausscheren. Was militärisch unerheblich sein mag, wäre politisch schwieriger zu verkraften."

Abschließend die OST-THÜRINGER ZEITUNG aus Gera zur Situation nach dem Endes des Krieges:

"Schon Bosnien und Kosovo haben gezeigt, dass man ein Land nach dem Krieg nicht einfach seinem Schicksal überlassen kann. Die politische Stabilisierung bedarf der strengen militärischen Kontrolle; und das wahrscheinlich über Jahrzehnte. Auch in Afghanistan wären nach den Taliban neue Willkürherrschaften und Bürgerkriege programmiert,
überließe man der Nordallianz und den lokalen Stammesführern das Land. Doch so werden die USA und ihre Verbündeten an immer mehr Standorten zur Schutz- und Besatzungsmacht. Sie laufen Gefahr, sich zu übernehmen."