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Pressestimmen von Donnerstag, 30. Oktober 2003

Reinhard Kleber29. Oktober 2003

Rekord bei der Neuverschuldung / Debatte über Gentechnik / EU-Kommissionsentwurf zur Chemie-Verordnung

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Der Nachtragshaushalt mit einem Rekord bei der Neuverschuldung steht im Mittelpunkt der Kommentare der deutschen Tageszeitungen. Weitere Themen sind die neu entfachte Debatte über embryonale Stammzellen sowie das Regulierungspaket der EU-Kommission zu Chemikalien.

Zum Nachtragshaushalt 2003 schreibt das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Der 29. Oktober 2003 wird als rabenschwarzer Tag in die Geschichte der Staatsfinanzen eingehen. In Berlin beschloss das Bundeskabinett einen verfassungswidrigen Haushalt mit der höchsten Nettokreditaufnahme in der bundesdeutschen Geschichte. Und in Brüssel konstatierte die EU-Kommission, dass Deutschland auch 2004 und 2005 erheblich mehr Schulden macht als von der Europäischen Währungsunion erlaubt. Damit steuern die Deutschen langsam aber sicher in eine finanzpolitische Katastrophe. (...) Es bleibt nicht mehr viel Zeit, die Notbremse zu ziehen."

Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn lenkt den Blick auf Finanzminister Eichel:

"Deutschland bewegt sich, lautet der landesweit plakatierte Werbespruch der Bundesregierung. Was sich hierzulande derzeit bewegt, ist allenfalls der staatliche Schuldenberg. Und vor dem sitzt der Bundesfinanzminister wie das Kaninchen vor der Schlange. Hans Eichel wusste schon im vergangenen Jahr, dass das im Haushaltsentwurf 2003 unterstellte Wirtschaftswachstum zu hoch gegriffen war, der prognostizierte Abbau von Arbeitslosigkeit und die Einnahmeprognosen somit reine Wunschträume waren. Jetzt ist für Eichel der Alptraum wahr geworden: Mehr neue Schulden anzuhäufen als sein Vor-Vorgänger im Amt, Theo Waigel."

Themenwechsel: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat mit einer Initiative die Debatte über die Gentechnik wieder in Gang gesetzt. Dazu lesen wir in der BERLINER ZEITUNG:

"DEr künstlich erzeugte Embryo, so behauptet Zypries, habe nur eine abstrakte Möglichkeit, sich als Mensch zu entwickeln. Schließlich bedürfe es einer Frau, die bereit sei, den Embryo auszutragen. In ihrer juristischen Spitzfindigkeit ignoriert die Ministerin, dass eine Eizelle in Deutschland bisher einzig und allein zu diesem Zwecke befruchtet werden darf. Es kann also in den Laboren kein frühes Leben geben, dem die Mutter fehlt und dessen Zweck nicht ist, sich zum Menschen zu entwickeln. Der Ministerin geht es ganz offen - wie dem Kanzler und Bulmahn - um die Aufweichung des Stammzellgesetzes."

Ganz anders sieht das die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Die Sehnsucht nach Gewissheit und moralischer Eindeutigkeit ist so verständlich wie unmöglich zu befriedigen. Und sie führt zuweilen zu schwer erträglichen Ergebnissen. (...) Wann der Mensch ein Mensch ist? Wir wissen es nicht, wir müssen es entscheiden. Nicht ein für allemal, sondern nach je aktuellem Wissens- und Erkenntnisstand. In dem Bewusstsein, dass fundamentale Gewissheiten vergänglich sein können und pragmatische Ansätze der ethischen Grundlage bedürfen. Brigitte Zypries unternimmt diesen Versuch, behutsam und beherzt."

Zum Schluss wenden wir uns dem EU-Entwurf zur Chemikalien-Verordnung zu. Hierzu meint die MÄRKISCHE ALLGEMEINE:

"Fast bei allem, das wir kaufen, ob Obstsaft oder Kindersitz, ob Teppichboden, Heimcomputer oder Plastikschraubenzieher, haben wir es mit chemischen Produkten zu tun. Die Schattenseite sind Ablagerungen von Giften in der Umwelt in zunehmender Konzentration, die auffällige Häufung von Allergien und Krankheiten, die im Verdacht stehen, durch chemische Rückstände ausgelöst zu werden. Solche unbeabsichtigten Nebenwirkungen müssen möglichst vermieden werden. Es ist daher konsequent, verdächtige Substanzen genauer unter die Lupe zu nehmen und die Beweislast für die Unbedenklichkeit den Unternehmen aufzuerlegen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zeigt dagegen eher Verständnis für die Einwände der Industrie:

"Wenn sich Regierungschefs so grundsätzlich gegen ein Umweltprojekt wenden, fällt oft schnell das Urteil: Diese Politiker sind Büttel der Konzerne, denen ist die Gesundheit der Bürger egal. Doch so einfach liegt der Fall diesmal nicht. Kanzler Schröder und Kollegen erklären die Chemie-Richtlinie zum Testfall für die Industriepolitik. Sie haben Recht. In diesem Sektor behaupten sich die Europäer noch gegen die weltweite Konkurrenz. Schon wegen der Konjunkturkrise dürfen die Regierungschefs nicht riskieren, dass ihre Chemiefirmen und Weiterverarbeiter wie die Autohersteller im globalen Wettbewerb entscheidend behindert werden."