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Pressestimmen von Donnerstag, 4. Januar 2007

Gerhard M Friese3. Januar 2007

Arbeitslosenzahlen in Deutschland

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Überraschend ist die Zahl der Arbeitslosen im Dezember weit geringer gestiegen als erwartet. In den Kommentaren deutscher Tageszeitungen findet die Entwicklung ein unterschiedliches Echo.

Ganz positiv interpretiert die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf die Zahlen:

"Dass die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt weiter sinkt, ist eine prima Nachricht zu Beginn des neuen Jahres. Noch besser ist, dass es parallel dazu immer mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gibt. Viele Unternehmer sind bereit, 'echte', wertvolle Jobs zu schaffen, weil sich der Aufschwung als nachhaltig herausstellt.... Deutschland ist auf dem besten Weg, wieder einen Spitzenplatz in der EU einzunehmen. Die Bundesregierung, die sich darüber besonders freut, hat insofern mehr Glück als Verstand."

Die WESTFALENPOST aus Hagen wirft einen Blick auf die neue Arbeitswelt:

"Die Trendwende am Arbeitsmarkt hat sich dank des milden Wetters und der robusten Konjunktur bestätigt. Damit zeigt sich, dass steigende Arbeitslosenzahlen kein Naturgesetz sind, sondern dass der Geißel vieler Industriestaaten beizukommen ist - unter anderem mit den schon von der Regierung Schröder eingeleiteten Maßnahmen. Dennoch wäre Euphorie jetzt fehl am Platze. Der Punkt ist: Es sind zwar mehr Menschen wieder in Beschäftigung, aber ihre Arbeitsverhältnisse haben sich - gemäß den Bedürfnissen der Wirtschaft - grundlegend gewandelt. Klassische, unbefristete Arbeitsverträge, die Sicherheit und eine langfristige Perspektive bieten, zu Familiengründung und Konsum reizen, werden immer seltener abgeschlossen," meint die Hagener Westfalenpost.

Die Mainzer ALLGEMEINE ZEITUNG merkt an:

"Auch wenn Merkel, Müntefering und Co. nichts dafür können, es ist reichlich Wasser auf ihre Mühlen. Die Kernfrage ist indes, wie hier zu Lande die große Chance genutzt werden wird, die die unter Volldampf laufende Weltkonjunktur auch und vor allem Deutschland bietet. Schon Pause bei den Reformen, wie es SPD-Chef Beck vor kurzem gefordert hat oder endlich wirklich Mut zu großen Taten zum Beispiel bei den Lohnnebenkosten?"

Der MANNHEIMER MOERGEN dämpft große Erwartungen:

"Es ist dies ein zyklischer Boom, wie ihn Deutschland zuletzt im Jahr 2000 erlebte. Die Regierung muss sich darauf indes nicht viel einbilden. Zwar scheint die Mehrwertsteuererhöhung weniger konjunkturschädlich als erwartet. Doch sollte die Große Koalition diesen Aufschwung, den schon bald harte Tarifrunden dämpfen könnten, mit sinnvollen Reformen unterfüttern."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER schreibt dagegen:

"Es läuft rund auf dem Arbeitsmarkt. Erstaunlich rund. Besonders zuversichtlich stimmt, dass die Besserung inzwischen bei den Langzeitarbeitslosen ankommt. Deutschland, nach dem Sommer- nun auch ein Wintermärchen? Ja, insofern die schönen neuen Zahlen bleibende Strukturprobleme überdecken. Nach wie vor suchen mehr als vier Millionen Menschen vergeblich einen Job. Offiziell. In Wahrheit sind es weit mehr. Nach wie vor ist die Arbeitslosigkeit im Osten doppelt so hoch wie im Westen. Und: Der Aufschwung bleibt noch elitär."

Die BERLINER ZEITUNG nennt die Probleme hinter der Statistik:

"Zu einem Teil ist die Absenkung der Arbeitslosenzahlen erkauft über die mannigfache Einführung von Ein-Euro-Jobs, die in kaum einem der rund 300 000 Fälle zu einem dauerhaften Arbeitsplatz führen wird. Zudem werden nach und nach mit der professioneller werdenden Tätigkeit der Arbeitsagenturen diejenigen aus der Statistik gestrichen, die im Fachjargon dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, also nicht vermittelt und nicht betreut werden wollen. Weit schwerer wiegt aber, dass die größte Problemgruppe derzeit noch am wenigstens von der verbesserten Lage profitiert. Die Langzeitarbeitslosen kommen nicht aus der Warteschleife heraus. Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, umso schwerer wird es, wieder in Beschäftigung zu finden."

Ähnlich die STUTTGARTER NACHRICHTEN:

"Wenn die Politik allzu schnell mit sich zufrieden ist, kann sich die Entwicklung auch wieder umkehren - zumal die Konjunktur immer zwei Richtungen kennt. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Politik nach ersten Erfolgen mit 'ruhiger Hand' regiert. Wozu dies führte, konnte man über weite Strecken der Ära Schröder beobachten. Dieses Experiment verlangt nicht nach einer Wiederholung."

Die OFFENBACH-POST fordert schnellere Reformen:

"Vom großen Wurf ist die große Koalition weit entfernt. Es fehlt eine umfassende Strategie gegen die Langzeitarbeitslosigkeit. Zwar erweist sich Hartz IV in vielerlei Hinsicht als richtiger Reformschritt, doch nicht als der Weisheit letzter Schluss. Die Anstrengungen von Union und SPD, die Vermittlung in den Job-Centern zu verbessern und einen so genannten dritten Arbeitsmarkt für besonders schwere Fälle einzurichten, kommen bislang viel zu zaghaft daher. Über sinkende Zahlen aus Nürnberg zu jubeln, reicht jedenfalls nicht aus." Und die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera verweist auf Probleme:

"Nach wie vor suchen mehr als vier Millionen Menschen vergebens einen Job. Die Arbeitslosenrate in den neuen Bundesländern bleibt doppelt so hoch wie im Westen. Unverändert setzten die Unternehmen vornehmlich ältere Arbeitnehmer an die Luft. Auch im Januar 2007 suchen hunderttausende Jugendliche eine Zukunftsperspektive. Es wäre geradezu zynisch, jetzt in euphorischen Jubel auszubrechen. Es bleibt viel zu tun - auch 2007."

Und im Bonner GENERAL-ANZEIGER heißt es:

"Über eines dürfen auch die optimistischen Prognosen für das noch junge Jahr nicht hinwegtäuschen: Viele der neuen sozialversicherungspflichtigen Jobs sind in Zeitarbeitsfirmen entstanden. So plötzlich diese Stellen geschaffen wurden, so schnell können sie auch wieder verschwinden."