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Pressestimmen von Donnerstag, 8. Dezember 2005

Susanne Eickenfonder7. Dezember 2005

Rice zu Folter / CIA-Flüge / Verschleppung El Masri

https://p.dw.com/p/7aCW

Außenministerin Rice hat bekräftigt, dass die USA keine Folter duldeten. Sie äußerte sich während ihres Besuchs in der Ukraine. Diese Stellungnahme sowie die Affäre um geheime CIA-Flüge und die Verschleppung des Deutsch-Libanesen El Masri durch die CIA sind die Themen der Kommentatoren der deutschen Presse.

Die TAZ in Berlin führt aus:

"Rice hat ausdrücklich von einem Folterverbot für US-Beamte gesprochen - nicht jedoch die Frage beantwortet, ob Bürger anderer Länder im Auftrag der Vereinigten Staaten und womöglich gar in Anwesenheit von CIA-Mitarbeitern foltern. Wer nicht so hoffnungsvoll in die Welt blickt, hat nun Anlass zu der Befürchtung, dass Gefangene in noch größerer Zahl als bisher in Länder verschleppt werden, in denen Washington weitgehende Handlungsfreiheit genießt."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU hat ähnliche Vermutungen. Zitat:

"In der Vergangenheit baute Washington in gut klingende Verlautbarungen oft Hintertüren ein. Wir foltern nicht, hieß es, aber Folter wurde bis zur Unkenntlichkeit neu definiert. Was also versteht Washington unter grausamer und unmenschlicher Behandlung? Soll die Formulierung, dies sei US-Bediensteten künftig verboten, schon das Schlupfloch sein, es etwa privaten Vertragsschlägern zu erlauben?"

Die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU blickt nach Deutschland und stellt fest:

"Die Bundesregierung ist weniger kreativ in ihrer Auskunftspolitik. Die Kanzlerin rotiert im Porzellanladen - rechts entlang amerikanischer Empfindlichkeiten, links vorbei an den empfindlichen Partnern in der noch jungen Koalition. Dazwischen latscht mit berstendem Selbstbewusstsein Otto Schily durch die Auslagen. Sie werden allesamt damit nicht durchkommen. Jeder Tag, den der Eiertanz andauert, macht den Skandal um die Entführung eines Deutschen durch die CIA zu einer Berliner Affäre."

DIE ZEIT aus Hamburg weist darauf hin:

"Die verhaltenen Forderungen der Opposition im Bundestag, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der die Bewegungen von CIA-Flugzeugen auf deutschen Airports thematisiert - diese Forderungen treffen die große Koalition zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Wie kann sie der Öffentlichkeit Rückkehr zur atlantischen Normalität signalisieren, wenn sich der große Partner Amerika gerade aus der normativen Gemeinsamkeit internationaler Rechtsstaatlichkeit entfernt?"

Abschließend zu diesem Gedanken noch die WESTDEUTSCHE ZEITUNG. Wir lesen:

"Eines ist in jedem Fall klar: Der von beiden erhoffte Neuanfang im transatlantischen Verhältnis muss auf unbestimmte Zeit vertagt werden. Solange sich die amtierende US-Regierung über das Völkerrecht und die Souveränität anderer Staaten hinwegsetzt, kann es keine tiefgreifende Versöhnung geben. Die erfolgt auf Augenhöhe - oder bleibt eben aus."

Themenwechsel. Vier Ministerien des alten Kabinetts waren im Nachhinein von den USA über die Verschleppung El Masris durch die CIA informiert worden.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt:

"Spätestens seit gestern ist die Verschleppung El Masris nicht mehr bloß ein Fall der alten Bundesregierung. Es ist jetzt auch ein Fall der neuen Kanzlerin. Mit ihrer bekräftigten Behauptung, die USA hätten die Entführung El Masris als Fehler akzeptiert, bewegt sie sich auf einer Linie zwischen mutig und tollkühn. Sie zog ihre Erkenntnisse offenbar aus einem internen Gespräch mit US-Außenministerin Rice, die von einem derartigen Gesprächsinhalt nichts wissen will."

Im GENERAL-ANZEIGER in Bonn heißt es:

"Es bleibt dabei, die US-Regierung gibt offiziell zum Fall El Masri keine Stellungnahme ab. Andererseits hat sich in den letzten Tagen in der Regierung Bush die Einsicht durchgesetzt, dass man irgend etwas tun muss, um der europäischen Kritik die Spitze zu nehmen. So erklärt sich die freundlich-kooperative Rhetorik der amerikanischen Außenministerin, die von Merkel prompt als Schuldeingeständnis missverstanden wurde. Einerseits, andererseits - das ist das Wesen der US-Politik, wenn es um die Frage der Folter geht."

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera meint:

"Einer Weltmacht unterlaufen halt keine Fehler. Vielleicht sollte genau das der neuen Kanzlerin beigebracht werden, auf dass sie einen prägenden Eindruck vom glatten diplomatischen Parkett bekomme. Womöglich hat man sich in Washington mehr vom Berliner Regierungswechsel versprochen, mehr Gefolgschaft, keine unbequemen Fragen, einen Stimmungsumschwung zugunsten der Bush-Administration."

In der FRANKFURTER NEUEN PRESSE ist zu lesen:

"Es wirkt ganz so, als habe die rot-grüne Regierung zwar auf Marktplätzen gerne auf die völkerrechtswidrige Politik von US-Präsident George Bush geschimpft, aber bei den CIA-Aktivitäten in Europa dann doch lieber nicht so genau hingeschaut. Etwa, weil man sich dann doch dachte, der US-Geheimdienst erledige ein unangenehmes Geschäft, dass letztlich nützlich für den gesamten Westen ist? Möglicherweise braucht nicht nur Washington sondern auch Europa eine Debatte darüber, was im Kampf gegen den Terror erlaubt sein soll und was nicht."

Abschließend noch der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER, der in der Affäre auf Ex-Innenminister Schily blickt. Zitat:

"Bemerkenswert ist die Auffassung des damaligen deutschen Innenministers Otto Schily im Fall Masri, der heute - quasi achselzuckend - erklärt, er habe davon erst erfahren, als er ohnehin nicht mehr hätte eingreifen können. Wie schön für ihn!"