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Pressestimmen von Donnerstag, 8. März 2007

Christoph Schmidt7. März 2007

Streit um Bischöfe / Naumann wird Spitzenkandidat

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Es sollte ein weiterer Schritt zur Versöhnung sein - die Reise deutscher Bischöfe nach Israel. Doch angesichts des Elends in den Palästinensergebieten ließen sich einige der katholischen Oberhirten zu Vergleichen mit der nationalsozialistischen Judenvernichtung hinreißen. In Israel und stärker noch unter deutschen Juden reagierte man mit Empörung. Ein weiteres Thema dieser Presseschau ist die SPD-Spitzenkandidatur von Michael Naumann in Hamburg.

Die TAGESZEITUNG TAZ aus Berlin schreibt zu den Äußerungen der Bischöfe:

"Insbesondere für Deutsche verbietet sich jede Gleichsetzung der israelischen Gegenwart mit den Schrecken des Nazi-Regimes. Die Bischöfe haben sich daher eindeutig in ihrer Wortwahl vergriffen. Die routinierte Empörung des israelischen Botschafters soll allerdings auch nur davon ablenken, dass er am liebsten gar keine Kritik an seinem Land gehört hätte. Aber was hätte die Reisegruppe denn sonst sagen sollen angesichts der monströsen Mauer, die etwa die Stadt Bethlehem abriegelt?"

Der WIESBADENER KURIER kritisiert:

"Es ist nicht das erste Mal, dass Vertreter der deutschen Juden das Wort Antisemitismus recht leichtfertig in den Mund nehmen. Sie erweisen damit weder sich noch der deutschen Gesellschaft einen guten Dienst. Denn der inflationäre Gebrauch des Begriffs verharmlost den in Deutschland durchaus aktiven echten Antisemitismus. Auch wäre es Ausdruck falsch verstandener Lobby-Arbeit, Kritik am Staat Israel als judenfeindlich anzuprangern. Solche Kritik, etwa an der Behandlung der Araber, kommt auch aus Israel selbst."

Die KIELER NACHRICHTEN gehen mit den Bischöfen strenger ins Gericht:

"Die offiziellen Erklärungen der Bischofskonferenz und die eifrigen Bemühungen, das Gesagte zu relativieren, lassen keinen Zweifel daran, dass die Kirchenführer nur unüberlegt dahergeplappert haben. Das macht die Sache aber nicht viel besser. Denn es waren eben keine naiven Schüler, die von den Umständen vor Ort überwältigt wurden, sondern die wichtigsten Vertreter der deutschen Katholiken, deren stärkstes Argument der wohlüberlegte Gebrauch des Wortes sein sollte."

Und der NORDKURIER aus Neubrandenburg merkt an:

"Was im Streit um die Kritik deutscher Bischöfe an der Besatzungspolitik Israels jetzt am meisten nottut, ist die verbale Abrüstung auf beiden Seiten. Man muss den Nazi-Vergleich mit Nachdruck zurückweisen, weil er für das jüdische Volk unerträglich ist. Die Empörung darf aber nicht dazu führen, die Auseinandersetzung einzustellen darüber, ob Israel bei seinem berechtigten Wunsch nach Sicherheit die Verhältnismäßigkeit der Mittel überhaupt noch wahrt. Längst gibt es berechtigte Zweifel, dass dies der Fall ist. Insofern war die Kritik im Kern allemal angebracht."


Themenwechsel: Nach wochenlanger Führungskrise versucht die SPD in Hamburg nun den Neuanfang: Der frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann soll als Spitzenkandidat bei den Bürgerschaftswahlen 2008 die Macht zurückerobern. Anlass für die Pressekommentare, die SPD der Hansestadt genauer in den Blick zu nehmen.

Die STUTTGARTER ZEITUNG schreibt dazu:

"Zugespitzt könnte man sagen, dass Naumanns Aufgabe vor allem sein wird, für eine Übergangszeit bella figura zu machen - und der Hamburger SPD einen Wahlkampf mit erhobenem Haupt zu ermöglichen. Einer mit Stallgeruch ist Naumann ganz bestimmt nicht; ausgeprägtes Stehvermögen in den Niederungen der Parteiarbeit trauen ihm die wenigsten zu. Ob Naumann wirklich erwartet (oder befürchtet), dass er die Stadt 2008 regieren wird, ist zweifelhaft."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER urteilt:

"So macht man sich eine einstige Hochburg kaputt. Nun tritt nach verzweifelter Suche und mit Druck der Parteispitze Michael Naumann als Kandidat gegen den populären Bürgermeister Ole von Beust von der CDU an. Ein Überraschungskandidat, aber einer mit hanseatischem Hintergrund. Naumann ist Mitherausgeber der renommierten und in Hamburg erscheinenden Wochenzeitung «Die Zeit» und somit auf dem Elbe-Parkett kein Unbekannter. Er muss nun den SPD-Laden wieder in Schuss bringen. Für Beust könnte der anglophile Kulturmensch zum unbequemen Rivalen werden."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU spielt bereits mit der politischen Farbenlehre:

"Bei der Wahl in Hamburg geht es womöglich um eine spannende Alternative: Geburt von Schwarz-Grün auf Länderebene - oder Wiedergeburt von Rot-Grün. Naumann, einst Staatsminister im ersten Kabinett Schröder/Fischer, ist unter diesem Gesichtspunkt eindeutig der Kandidat für Rot-Grün. In dieser Zuspitzung liegt von nun an die bundespolitische Bedeutung der Hamburg-Wahl. Es ist schon spannend, das Buhlen von Union und SPD um die Gunst von Grünen bzw. FDP ein Jahr vor der Bundestagswahl mal im kleinen Laborexperiment zu erleben."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG nimmt die Hamburger Personalie zum Anlass für ein Lagebild der ganzen SPD:

"Ab wann ist eine Partei eine Volkspartei, beziehungsweise ab wann verliert sie diesen Status? Bei der SPD wird es Zeit, sich hierüber ernsthaft Gedanken zu machen. Zwar regiert man im Bund noch mit, in der Fläche aber, sieht man von den beiden Stadtstaaten Berlin und Bremen ab, gibt es gerade noch zwei SPD-Ministerpräsidenten. Und die Vorgänge in Hamburg sind nicht dazu angetan, das Erscheinungsbild aufzuhellen. Im Gegenteil: Der Landesverband dort strahlt auf die Gesamtpartei zurück, die programmatisch unklar und personell ausgezehrt wirkt."