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Pressestimmen von Freitag, 03. Mai 2002

Stephan Stickelmann2. Mai 2002

Ende von Arafats Hausarrest / Neue Kriminalitätsstatitik

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Das herausragende außenpolitische Kommentarthema der Tageszeitungen ist das Ende der israelischen Belagerung von Palästinenser-Präsident Jasser Arafat. Innenpolitisch steht die neue Kriminalitätsstatistik im Mittelpunkt.

Zu Arafat bemerkt DIE WELT:

"Nach fünf Monaten unter Hausarrest fährt der Führer der Palästinenser durch Ramallah wie einstmals Winston Churchill durch London kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Noch immer scheint Arafat an dem Wirklichkeitsverlust zu leiden, der ihm und seinem Volk schon so oft zum Verhängnis wurde. Bald aber ist Schluss mit den Siegesfeiern. Es geht um den Erhalt der Macht, für die selbst der greise Ideologe zuweilen zum Pragmatiker werden kann. Gelingt es ihm, seine Leute und die Kämpfer von Hamas zu zügeln, wird Ariel Scharon kaum etwas anderes übrig bleiben, als in Verhandlungen zu treten."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint:

"Israel kann nicht beides haben - Herrschaft über die Palästinenser und Frieden. An diesen unvereinbaren Ansprüchen werden alle von Scharon zu erwartenden 'Friedenpläne' scheitern. Doch auch der aus seinem Hausarrest entlassene Arafat ist Teil des Problems. Nicht nur durch Scharons brutalen Feldzug wurden die Palästinenser um dreieinhalb Jahrzehnte zurückgeworfen, sondern auch durch Arafats katastrophale Fehleinschätzungen. In fast allen Ländern dieser Welt müsste ein Mann wie Arafat den politischen Abschied einreichen. Aber in der arabischen Welt herrschen andere Kriterien. Auch deshalb sieht die Zukunft so trostlos aus."

Und in der FRANKFURTER RUNDSCHAU heißt es:

"Jetzt wäre der Zeitpunkt, wieder mit Gesprächen zu beginnen. Wer aber kann sich an einen Tisch setzen? Die Beziehung zwischen den beiden alten Männern Jasser Arafat und Ariel Scharon ist nicht nur persönlich völlig zerrüttet. Sie sind politisch handlungsunfähig. Der Schlüssel für eine Konfliktlösung liegt nun bei dem so genannten Quartett USA, UN, EU und Russland. Sie alle spielen verschiedene Instrumente. Das muss kein Nachteil sein. Wichtig ist nur, dass sie sich auf ein Stück einigen können - die Symphonie von den zwei Staaten, Israel und Palästina."

Themenwechsel: Im Lichte des Erfurter Amoklaufs sowie der Berliner Krawalle kommentiert die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock die jüngste Kriminalitätsstatistik:

"Ziemlich mutig vom emsigen Bundesinnenminister Otto Schily, dass er ausgerechnet jetzt Deutschland zu einem der sichersten Länder der Erde kürt. Aber so richtig dürfte die frohe Botschaft vom besten Mann im Team des Kanzlers nicht ankommen. Wenige Tage nach dem Amoklauf von Erfurt und nur ein paar Stunden nach den Straßenschlachten von Berlin. Auch eine noch so gut gemeinte Botschaft kann, zum falschen Zeitpunkt präsientiert, nach hinten losgehen. So erging es Schily mit der polizeilichen Kriminalitätsstatistik. Häufig ist, nichts zu sagen und verantwortungsbewusst seinen Job zu machen, besser als Polemik."

Die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN ergänzen:

"Die gefühlte Sicherheitslage ist eine ganz andere als die von Schily statistisch belegte. Das elementare Ereignis des Amoklaufs in Erfurt hinterlässt Unsicherheitsspuren, die keine Polizeistatistik festhält. Die blindwütige Happening-Kriminalität in Berlins Straßen, die zur übelsten Mai-Tradition wurde, macht doppelt unsicher. Eine Art Spaß-Guerilla randaliert und plündert ohne Sinn und Verstand. Und der Staat lässt die Polizei hilflos agieren, weil es um politische und nicht um adäquate polizeiliche Taktik geht. Es geht um Einfühlungsvermögen und durchdachtes Handeln, nicht um Statistiken und scharfe Worte."

Und speziell zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Bundeshauptstadt stellt der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn fest:

"So sehr es zutrifft, dass es in einer offenen, rechtstaatlich orientierten Gesellschaft keine absolute Sicherheit vor solchen Krawallen gibt, haben doch die Bürger einen Anspruch auf Schutz vor blindwütiger Gewalt. Diesem Anspruch hat der Staat gefälligst gerecht zu werden. Er muss zugreifen und hart bestrafen. Unserem Strafrecht wohnt auch der Gedanke der Abschreckung inne. Im Hinblick auf die Berliner Randale ist es höchste Zeit, sich dessen zu erinnern. Brandstiftungen und vorsätzliche Körperverletzungen sind keine Jugendtorheiten, sondern Verbrechen."