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Pressestimmen von Freitag, 12. November 2004

Walter Lausch11. November 2004

Tod von Arafat

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Der Tod von Palästinenserchef Jasser Arafat in Paris und die Folgen für den Nahost-Friedensprozess, das ist das Thema dieses Blickes auf die Kommentarseiten der deutschen Tageszeitungen von diesem Freitag.

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU schreibt:

"Von seinem Volk geliebt, bewundert und mit fast mystischer Überhöhung verehrt, wie es wenigen Menschen auf Erden widerfährt; von seinen Feinden dagegen gehasst wie kaum ein zweites Individuum. So unterschiedlich die Vita des Palästinenserführers Jasser Arafat auch immer bewertet wird: Mit dem Tod des 75-Jährigen ist zweifelsohne eine der schillerndsten und prägendsten Figuren der letzten 40 Jahre Weltgeschichte von der politischen Bühne verschwunden. Zugleich ging im Nahen Osten eine Ära zu Ende..."

Die Berliner Tageszeitung NEUES DEUTSCHLAND hebt einen Verdienst von Arafat besonders hervor:

"Jasser Arafat ist tot, sein Traum von einem eigenen palästinensischen Staat bleibt lebendig. Arafat hat sicher nicht wenige politische Fehler gemacht und doch für einen formalen Durchbruch gesorgt: Er akzeptierte 1988 das Prinzip der friedlichen Koexistenz zwischen Israel und einem künftigen Staat von Palästina. Um dieses Prinzip wird keine friedliche Lösung des Nahost-Konfliktes herumkommen. Sicher, noch ist von Freizügigkeit für die Menschen im Westjordanland nichts zu sehen. Kontrollposten folgt auf Kontrollposten. Und die elenden Lebensumstände im dicht bevölkerten Gaza-Streifen spotten jeder Beschreibung. Trotzdem könnte der geplante Abzug aus dem Gaza-Streifen eine Eigendynamik entfalten, die mittelfristig eine Zwei-Staaten-Lösung nach sich zöge."

Die STUTTGARTER ZEITUNG sieht die politische Lebensleistung des Palästinenserpräsidenten nicht so positiv:

"Arafat gehörte nicht zu den wirklich Großen in dieser Welt. Er wurde schon lange von den Großen nicht mehr ernst genommen - auch nicht ansatzweise so ernst, wie er ausgerechnet in den Tagen des hinausgezögerten Todes noch einmal genommen worden ist. Und dennoch sollte man die Instrumentalisierung dieses Menschen im Todeskampf nicht nur achselzuckend hinnehmen. Die Politik nach Arafat gründet auf einer Lüge. Sie gründet auf der Geringschätzung des Sterbens und damit auch des Lebens eines Menschen. Das ist kein guter Anfang für eine neue Politik."

Für die OFFENBACH-POST könnte dagegen der Tod von Arafat eine wichtige Zäsur sein:

"Sämtliche nachgerufene Worte machten denn auch deutlich, wie letztendlich zerrissen das Leben des Mannes war, der nicht das entscheidende Ja zum Frieden zwischen Israel und den Palästinensern sagen mochte, der die Chance von Camp David nicht beim Schopfe griff und immer wieder den Friedenstauben die Flügel brach. Wohl deshalb flammt wieder Hoffnung auf, dass das Ende dieses Lebens, dieses Symbols für die zerrissene Lage in einem der unruhigsten Teile unserer Welt, vielleicht wirklich der Anfang sein könnte auf einem neuen Weg in einen dauerhaften Frieden."

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT formuliert zwei Varianten für den Friedensprozess im Nahen Osten:

"Die pessimistische Variante lautet: Vielleicht verwandelt sich der Gaza-Streifen nun endgültig in einen jener 'failing states', in denen nur noch die Gesetzlosigkeit regiert. Wenn man Optimist bleiben will (was im Nahen Osten schwer fällt), kann man auf fähigere Führer an der Spitze der PLO setzen, an deren Händen nicht so viel Blut klebt wie an jenen Arafats. Nur wenn seine Nachfolger den Willen und die Kraft mitbringen, die Mordaktionen gegen Israel ohne Vorbedingungen einzustellen, lebt ihr Traum vom eigenen Palästinenserstaat weiter."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder hält eine positive Entwicklung nur unter bestimmten Bedingungen für möglich:

"Wenn es jetzt tatsächlich einen Neuanfang geben soll, dann nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die radikalen Palästinenser- gruppierungen müssen ihre Terroraktionen einstellen. Die Autonomiebehörde muss demokratisiert werden. Scharon kann nicht einerseits den Gazastreifen räumen und andererseits die strategisch viel wichtigere Westbank weiter besetzt halten. Und die USA müssen Druck auf beide Konfliktparteien ausüben. Dass es danach überhaupt nicht aussieht, lässt auch nach dem Ende der Ära Arafat wenig Hoffnung keimen."