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Pressestimmen von Freitag, 15. August 2003

tzusammengestellt von Barbara Zwirner14. August 2003

Rezession-Debatte / Eichels Finanzpolitik

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Die Kommentare in den deutschen Tageszeitungen befassen sich weiterhin mit den verschiedenen Aspekten der Wirtschafts- und Reformpolitik der Bundesregierung. Im Mittelpunkt steht unter anderem die Frage, ob Deutschland in einer Rezession steckt oder die Wirtschaft nur stagniert.

Dazu schreibt der BERLINER KURIER:

"Die Weltsicht eines Politikers muss nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen. Oft sieht er nur, was er sehen will. Er richtet sich seine heile Welt ein, in der er sich wohlfühlt. Gerhard Schröder hat gestern ein Lehrbeispiel für Wirklichkeitsflucht gegeben. Eine Rezession in Deutschland sieht er nicht, obwohl alle Zahlen und Fakten genau das belegen. Doch der Kanzler setzt sich flugs die rosarote Brille auf die Nase - und schon ist alles gar nicht mehr so schlimm. Aus Rezession wird Stagnation. Dabei hat der Regierungschef Glück. Ein halbes Jahr lang übersah er konsequent die dunklen Zeichen am Wirtschaftshorizont. Diesmal wird er dafür belohnt. Am Ende des Tunnels ist ein Licht zu sehen. Die Krise scheint ausgesessen. Natürlich kann das kein Rezept für seriöse Regierungsarbeit sein. Da trägt man besser eine Klarsichtbrille. Es ist gefährlich, die Augen vor dem wahren Leben zu schließen. Gewöhnlich fällt man böse auf die Nase."

In der LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus lesen wir:

"Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob Deutschland in einer Stagnation steckt oder schon in einer Rezession. Diesen Streit sollen Finanzexperten und Konjunkturforscher unter sich ausmachen. Fest steht: Unsere Wirtschaft schrumpft eher, anstatt zu wachsen. ...Durch die konjunturelle Talfahrt kommen aber auch sämtliche Erwartungen bei den Steuereinnahmen ins Rutschen. Mit dem Ergebnis, dass der Schuldenberg wohl noch größer wird, als er schon ist. Dei Regierung sucht dieser Entwicklung kurzfristig mit dem Vorziehen der Steuerreform zu begegnen ... Angesichts des Reform-Wirrwarrs sind die Bürger tief verunsichert. Die Leute könnten ihr Geld weiter beisammen halten, selbst wenn sie durch die vorgezogene Steuereform besser gestellt wären. Skeptiker haben das schon immer behauptet. Die Bürger setzen auf politische Verlässlichkeit. Doch genau die ist Mangelware."

Die in Koblenz-Mainz erscheinende RHEIN-ZEITUNG meint:

" Erst hinter Akademischer Haarspalterei und politischem Streit wird der Rezessions-Stagnations-Diskurs wichtig: Eine Rezession geht vorüber. Sie mag schmerzhaft sein - doch im Konjunkturzyklus schließt sich ein Aufschwung an. Eine Stagnation aus strukturellen Gründen dagegen kann die Politik nicht aussitzen, da muss sie für bessere Bedingungen sorgen. Im Grunde ist dieser Begriff der ernstere und er beschreibt die Situation besser. Man kann die Lage aber auch einfach als das bezeichnen, was sie ist: Traurig."

Der SCHWARZWÄLDER BOTE in Oberndorf kommentiert:

"Laut Statistischem Bundesamt ist das Bruttoinlandsprodukt auch im zweiten Quartal 2003 minimal geschrumpft, doch zu Panikstimmung besteht deshalb kein Anlass. Es sind die Währungsschwankungen, die die Exportnation Deutschland derzeit beuteln. Wer da schon von Rezession spricht, der handelt zumindest fahrlässig: Er schadet dem Standort Deutschland. Jahresbilanz gezogen wird erst nach dem 31. Dezember - bis dahin heißt es abwarten."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN setzen sich mit Finanzminister Eichel auseinander:

"Hans Eichels Auftritte erinnern immer öfter an Drahtseilakte. Was sich der Finanzminister an Subventionsabbau vorgenommen hat, um den Haushalt 2004 nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen, sieht geradezu waghalsig aus. Dabei ist Eichel bei vielen Schritten gar nicht mehr Herr der Lage. Dass ihn die Opposition in der Luft hängen lässt, ist normal. Dass man ihn aber auch in der Regierung immer öfter übergeht, lässt aus Kunststücken immer öfter Luftnummern werden."

Auch die OSTSEE-ZEITUNG nimmt Eichels Finanzpolitik aufs Korn:

"Das nette Bonbon einer Steuerentlastung wird durch den Abbau von Steuererleichterungen und Subventionen ziemlich teuer erkauft. Der Staat, so der Argwohn, wird den Bürgern mehr aus der linken Tasche ziehen, als er in die rechte per vorgezogener Steuerreform geben wird. Die Crux ist, dass Eichel dies nicht überzeugend widerlegen kann. Die Freude über seine Finanzpläne zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen ist deshalb erheblich getrübt. Getrieben vom Kanzler, der unbedingt ein positives Signal braucht, muss Eichel für eine vorgezogene Steuererleichterung von sieben Millionen Euro nun allein satte fänf Milliarden neue Schulden aufnehmen. Seriös finanziert ist das jedenfalls nicht."