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Pressestimmen von Freitag, 15. Februar 2002

zusammengestellt von Bernhard Schatz.14. Februar 2002

Bundesanstalt für Arbeit / Kriegsverbrecher-Tribunal

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Die Kommentare deutscher Tageszeitungen befassen sich am Freitag vor allem mit der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit. Deren Vorstand beschloss in einer Krisensitzung, weiter an Präsident Bernhard Jagoda festzuhalten, künftig aber auch private Arbeitsvermittler stärker zu berücksichtigen. Ein weiteres Kommentar-Thema ist der Haager Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Milosevic.

Zur Bundesanstalt für Arbeit schreibt der MANNHEIMER MORGEN:

"Bernhard Jagoda ist ein charmanter, umgänglicher Zeitgenosse. Just jene Eigenschaften ließen ihn die monatlichen Hiobsbotschaften aus Nürnberg in freundlichem, aber stets sachlichem Tonfall verkaufen. Der Christdemokrat blieb unter Rot-Grün im Amt; mit unbotmäßiger Renitenz hat er sich nicht revanchiert. Ein hemdsärmliger Modernisierer ist Jagoda nicht. Aber der wurde auch nie verlangt, im Gegenteil. Die größte Bundesbehörde diente Regierungsparteien (meist schwarz-gelben), Arbeitgebern und Gewerkschaften vor allem als eines: als Parkplatz für Polit-Pensionäre. Deshalb ist es auch verlogen, Jagoda zum Sündenbock zu erklären."

Die PFORZHEIMER ZEITUNG gibt zu bedenken:

"Ob die stärkere Verlagerung von Arbeitsvermittlungen in private Hände der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden. Denn die nichtstaatlichen Vermittler haben den Arbeitsmarkt seit 1995 auch nicht sonderlich entlastet und zudem häufig nur besser Qualifizierte in neuen Jobs untergebracht. Private könnten, so sie es mit der Wahrheit nicht genau nehmen würden, genauso wie Beamtete mit frisierten Zahlen operieren."

Auch die SAARBRÜCKER ZEITUNG hat ihre Zweifel:

"Sind private Vermittler überhaupt willens und in der Lage, bei Problemfällen, bei Arbeitslosen mit körperlichen Einschränkungen oder Langzeitarbeitslosen, die notwendige Zeit aufzubringen? Die Privatvermittler dürften sich in der Regel auf lohnende Vermittlungen werfen, wo richtig Geld zu verdienen ist. Selbst die Frage ist zu stellen, ob die dann vermittelten Arbeitnehmer auch den Lohn bekommen, der ihnen zusteht, und ob nicht die Vermittler Zusatzprovisionen einstreichen."

Die BERLINER ZEITUNG sieht es so:

"Statt dass die Öffentlichkeit darauf dringt, die Missstände von der Wurzel her zu bekämpfen, projiziert sie ihre Frustration lieber auf einen vermeintlich Alleinschuldigen - im Irrglauben, so blieben Reformen vermeidbar, die Abstriche am Lebensstandard bedeuten könnten. Die wichtigste Erkenntnis aus der Nürnberger Affäre ist deshalb diese: Wer auch immer die Wahlen gewinnt, er wird den Einfluss der Sozialpartner rasch und fühlbar zurückdrängen müssen."

Themenwechsel, und damit zum Kriegsverbrecher-Prozess in Den Haag.

Dazu die AUGSBURGER ALLGEMEINE:

"Sicher sind die Behauptungen des Ex-Diktators Slobodan Milosevic dreist, sprechen sie jedem Rechtsempfinden Hohn. Doch für das Gericht und für die Anklage, aber auch für die in das zur Verhandlung stehende Geschehen verstrickten anderen Politiker und Staaten sind sie eine Herausforderung, die Vorwürfe gegen den Angeklagten zweifelsfrei zu belegen. Denn auch wenn es in diesem Prozess (nur) um die individuelle Schuld Milosevic' gehen soll, - auch die nicht zu gering zu bewertenden Fehler der EU, der Nato und nationaler Regierungen müssen zur Sprache kommen."

Die AACHENER NACHRICHTEN kommentieren:

"Milosevic taktiert äußerst geschickt. Zwar stellt er immer noch die Legitimation des Tribunals in Frage, beklagt aber gleichzeitig die aus seiner Sicht riesige Anklage-Maschinerie, die es ihm unmöglich mache, sich angemessen zu verteidigen. Soll heißen: Seht her, ich bin bereits vorverurteilt. Dass er zum 'Beweis' für seine Thesen eine zumindest missverständliche TV-Dokumentation der ARD anführen kann, ist dabei ein besonders unerfreulicher Aspekt. Und das Haager Tribunal? Muss tatenlos zusehen, wie der Ex-Präsident an seiner Märtyrer-Legende zimmert."

Im FRÄNKISCHEN TAG aus Würzburg lesen wir:

"Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - das sind die Fakten, für die Milosevic vor dem UN- Tribunal angeklagt ist. Mit der für Diktatoren typischen Uneinsichtigkeit leugnet Milosevic die Tatsachen und stellt die Rechtmäßigkeit des Tribunals in Frage. Er ist zwar nicht der einzige Schuldige für die Jugoslawien-Kriege und deren Folgen; er war jedoch der Kriegstreiber, der um jeden Preis die Freiheit der anderen Völker verhindern wollte."

Zum Schluss die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Milosevic darf ARD-Beiträge zu seiner Verteidigung einsetzen. Ihm dies am Tag seine ersten Aussage vor dem Haager Tribunal vorzuwerfen, ist zumindest scheinheilig. Die umstrittenen Fernsehsendungen passen perfekt ins Verteidigungskonzept des angeklagten Kriegsverbrechers: Man reihe ein Ereignis aus dem Zusammenhang, bringe Zweifel vor und schon ist die Geschichte neu geschrieben."