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Pressestimmen von Freitag, 16. April 2004

Gerhard M Friese15. April 2004

Nahost / Bin Laden / Wahlen Südafrika

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Die Unterstützung der USA für die Abtrennungspläne des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, das angebliche Friedensangebot des El-Kaida-Chefs Osama bin Ladens an Europa und die Wahlen in Südafrika beschäftigen an diesem Freitag die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen.

Zum Kurswechsel von US-Präsident Bush in der Nahostpolitik schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Dass dieser US-Präsident schon immer ein offenes Ohr für die Wünsche des Premierministers hatte, war nie ein Geheimnis. Aber dass Bush einmal vollständig auf dessen Brachialkurs einschwenkt und dabei gleich mehrere Grundpfeiler amerikanischer Nahostdoktrin niederreißt, das hätte sich bis vor kurzem wohl nicht einmal Scharon träumen lassen. Drei Dinge wollte der Israeli von den Amerikanern: die Zustimmung zum einseitigen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen, die Billigung des Verbleibs mehrerer israelischer Siedlungen im Westjordanland und die Zusicherung, dass Washington den vertriebenen Palästinensern das Recht auf Rückkehr in das heutige israelische Kernland verweigert. Scharon hat alles bekommen, und er musste sich dafür nicht einmal wesentliche Zugeständnisse abringen."

Für die FRANKFURTER RUNDSCHAU hat Bush mit seiner Zustimmung das Ende des Friedensprozesses eingeläutet:

"Denn wie will der Westen fortan die Palästinenser von den Vorzügen der Demokratie überzeugen, wenn über deren Köpfe hinweg, ohne jedes Mitspracherecht entschieden wird? Aus arabischer Sicht haben sich damit sämtliche alten (Vor-)Urteile über zweierlei Maßstäbe der USA bestätigt. Darin liegt auch das Fatale der Zugeständnisse Bushs an Scharon, weit mehr noch als im Inhaltlichen."

Die in Regensburg erscheinende MITTELBAYERISCHE ZEITUNG meint:

"Mit seinem Freibrief für Ariel Scharon hat Bush aber nicht nur die arabische Welt einmal mehr zutiefst gedemütigt. Unbeleckt von allen diplomatischen Gepflogenheiten hat sich die US-Administration erneut über die europäischen Verbündeten und die Vereinten Nationen hinweggesetzt. Im Schulterschluss mit dem Hardliner Scharon befördert Bush gültige UN-Resolutionen auf den Müllhaufen der Geschichte."

Die neue Tonband-Botschaft des El-Kaida-Chefs kommentiert das Düsseldorfer HANDELSBLATT:

"Bin Laden - oder wer immer hinter der verbreiteten Tonbandbotschaft steckt - begeht darin auch zwei fundamentale Denkfehler. So glaubt er, dass eine Terrororganisation wie El Kaida überhaupt Ansprechpartner für westliche Regierungen sein kann. Dies ist absurd. Übrigens auch deshalb, weil die Strukturen der islamischen Gewalttäter keineswegs so fest gefügt sind, dass eine Organisation ein Ende der Anschläge garantieren könnte. Im Übrigen wird die Tonbandaufnahme den Abzug ausländischer Soldaten aus dem Irak eher hemmen als fördern. Wer immer nun aus der Kriegskoalition ausscheren will wie Spanien, muss sich dem Vorwurf aussetzen, er beuge sich dem Druck der Terroristen."

Ablehnend auch die LANDESZEITUNG aus Lüneburg:

"Das hat nichts mit Versöhnung zu tun, sondern mit Verhöhnung. Die El-Kaida-Botschaft ist lediglich ein Erpressungsversuch, mit dem zugleich ein Keil in westliche Gesellschaften und zwischen westliche Staaten getrieben werden soll. Wer träumt, er könne sich mit Wohlverhalten Sicherheit erkaufen, möge aufwachen. Denn Friedfertigkeit hat auch andere nicht vor den Islamisten geschützt: Die Muslime, die in den Twin Towers und in Istanbul starben, die Christen, die in Madrids Vorortzügen zerfetzt wurden, und die Rot- Kreuz-Mitarbeiter, die im Irak als erste Westler ins Fadenkreuz gerieten."

Die THÜRINGER ALLGEMEINE widmet sich den Wahlen in Südafrika:

"Das war alles andere als selbstverständlich: Der ANC behält auch nach der dritten freien Wahl in Südafrika das Vertrauen und eine stabile Regierungsmehrheit. Wenngleich viele enttäuscht sind, wie wenig sich die eigene Lage in den vergangenen zehn Jahren nach Überwindung der Apartheid verbesserte. Nur eine dünne Schicht der schwarzen Mehrheit konnte in den Regierungsämtern, Verwaltungen, Schulen und Betrieben Fuß fassen und kam damit zu einem gewissen Wohlstand. Über zehn Millionen dagegen blieben in tiefster Armut. Ihren Zustand lindert nicht, dass nunmehr auch Weiße ohne Arbeit bleiben und betteln gehen."