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Pressestimmen von Freitag, 18. März 2005

zusammengestellt von Reinhard Kleber18. März 2005

Wahldebakel für Heide Simonis / Job-Gipfel in Berlin

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Simonis und Job-Gipfel, das sind die beiden Schlagworte, die die Kommentarspalten der deutschen Presse bestimmen. Konkret geht es um das Debakel bei der geplanten Wiederwahl der schleswig- holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis und den Berliner Job-Gipfel zwischen Regierung und Union. Zur mißglückten Wahl in Kiel schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Kläglicher, bitterer, jammervoller hätte das Finale der respektablen politischen Laufbahn der bisherigen Ministerpräsidentin nicht aussehen können. Mit der Niederlage in vier Wahlgängen zerbröselt die Karriere einer Frau, die einmal wie ein Leuchtturm im Küstennebel stand. Heide Simonis scheitert am Ränkespiel eines Abgeordneten aus den eigenen Reihen: Sie selbst und das von ihr angepeilte Bündnis ist demontiert, blamiert und blanchiert. Ein vorerst namenloser Abgeordneter hat maximale Wirkung erzielt - nicht nur im Land zwischen den Meeren."

Ähnlich äußert sich der Berliner TAGESSPIEGEL:

"Nein, so darf eine Ära nicht zu Ende gehen. Und eine Ära Simonis gab es ja nun wirklich: Heide S., die erste Ministerpräsidentin, länger als ein Jahrzehnt im Amt, beliebt im Volk, so beliebt, dass man ihr alle ihre Fehler vergab, ihrer Partei keinen. Heide Simonis hat wohl geglaubt, es gehe nicht ohne sie. Sie wird es geglaubt haben, weil ihre Gefolgsleute es ihr immer wieder gesagt haben. Die alle haben in ihrer Angst, ohne Simonis zu verlieren, sämtliche Warnsignale ausgeblendet. Verloren hat am Ende aber die eine: Simonis. Ihr Trauerspiel hätte sie schon nach dem dritten Wahlgang beenden müssen."

In der WESTFÄLISCHEN RUNDSCHAU aus Dortmund ist Folgendes zu lesen:

"Es ist völlig unverständlich, dass Heide Simonis sich und ihrer eigenen Partei nach dem ersten verlorenen Wahlgang überhaupt noch weitere Abstimmungen zugemutet hat. In einer unerklärlichen Mischung aus Realitätsferne und Eigensinn hat eine einst sehr populäre und erfolgreiche Regierungschefin ihr Lebenswerk zerstört. Für Schleswig- Holstein gibt es nach Lage der Dinge nun nur noch eine Perspektive: die Bildung einer soliden Regierung aus CDU und SPD. Dabei wird Heide Simonis freilich keine Rolle mehr spielen können - sie hat gestern politischen Selbstmord begangen."

Und zum Job-Gipfel in Berlin. Dazu merkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU an:

"Nach dem Job-Gipfel kann nun etwas mehr Realismus auch der öffentlichen Diskussion nicht schaden. Regierung und Opposition kommen in einigen ausgewählten Politikfeldern (Unternehmenssteuern, Föderalismus) an einer Kooperation nicht vorbei. Was diese Gespräche jenseits unveränderter politischer Unterschiede praktisch wert sind, bleibt letztlich aber eine Frage der Maßstäbe. Man kann es nämlich auch so sehen: Zur Parteiendemokratie gehört das Nebeneinander von Konsens und Streit. Schlimm wird es erst, wenn die parteitaktischen Interessen überhand nehmen. Und hier steht in den nächsten Monaten die Probe aufs Exempel erst noch bevor."

Zurückhaltend gibt sich auch die AUGSBURGER ALLGEMEINE:

"Die Bundesregierung hat sich auf Druck der CDU/CSU bewegt und den Reformkurs wieder aufgenommen, die Union macht auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners mit: Der Job-Gipfel markiert einen weiteren Schritt nach vorn, um das Land aus dem Tief zu führen. Die Rückkehr auf die vorderen Ränge der ökonomischen Europa-Liga erfordert allerdings noch gründlichere Sanierungsarbeiten, wie sich bald schon herausstellen wird."

Noch skeptischer beurteilt der KÖLNER STADT-ANZEIGER die Lage:

"Die Zeit der großen Worte ist vorbei. Ob Angela Merkel vom «Geist der Freiheit» redet, den sie in der Rede des Kanzlers vor dem Bundestag vermisst, oder ob Gerhard Schröder sozialen Zusammenhalt und Solidarität beschwört - in beiden Fällen handelt es sich um rhetorische Silbertabletts. Deren Glanz ist den Menschen inzwischen aber herzlich egal - wenn sie nur endlich, endlich nahrhafte und genießbare Speisen serviert bekämen - sprich: eine Aussicht auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Doch die tiefen Zweifel vieler Bürger an der Handlungsfähigkeit der Politik zu zerstreuen, dafür hat es gestern auf beiden Seiten nicht gereicht. So gesehen, war es kein guter Tag für Deutschland."