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Pressestimmen von Freitag, 19. Mai 2006

Reinhard Kleber18. Mai 2006

Tarifkonflikt der Ärzte / Schwere Kämpfe in Afghanistan

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Im festgefahrenen Tarifkonflikt um die Bezahlung von Ärzten an Universitätskliniken hat die Gewerkschaft Marburger Bund eine Schlichtung ins Gespräch gebracht. Die Leitartikler der deutschen Tageszeitungen greifen dieses Thema gerne auf.

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU lesen wir dazu:

"Es ist dem Vorsitzenden des Marburger Bundes, Montgomery, den Ärzten, die sich von ihm vertreten fühlen, und vor allem der leidenden Kundschaft zu wünschen, dass sich der Marburger Bund jetzt dazu durchringt, den Ausstand für einige Tage auszusetzen. Die Pause sollte genutzt werden, um eine durchaus bedenkenswerte Idee aufzugreifen, die Montgomery auch gekommen ist: Ein Schlichter könnte die festgefahrenen Verhandlungen zwischen der Ärztegewerkschaft und der Tarif-Gemeinschaft der Länder übernehmen. Zugegeben, die Materie ist kompliziert, und die Positionen liegen weit auseinander. Schlechter als es die bockigen Herren Montgomery und Möllring bisher gemacht haben, kann es aber auch mit einem Mediator nicht werden."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN geben Folgendes zu bedenken:

"30 Prozent mehr für alle Klinikärzte? Natürlich ist das als Lohnzahl inakzeptabel. Es war aber auch nie so gemeint. Der Marburger Bund hat stets das Arbeitszeitthema mit eingerechnet. In der Außenwirkung war das dumm, in der Sache jedoch legitim. Schon heute gelingt es vielen Häusern, die ärztliche Tätigkeit durch intelligenten Schichtdienst zeitlich erträglich zu halten. Die Kosten sind nicht explodiert. Wo das nicht der Fall ist, haben Mediziner jedes Recht aufzubegehren. Es ist europäisches Arbeitszeitrecht, das auch in Deutschland gelten muss. Nicht zuletzt im Interesse des Patienten, der von ausgeschlafenen Ärzten operiert werden möchte."

Und was ist mit den Patienten, fragt sich die BERLINER MORGENPOST:

"Wenn Ärzte die Arbeit niederlegen, dann hat das für die betroffenen Patienten eine andere Dimension, weil sie um Leben und Gesundheit bangen. Das wissen die streikenden Ärzte an den Unikliniken und Landeskrankenhäusern. Und das weiß natürlich auch der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank Ulrich Montgomery. Er hat den Aufstand der Ärzte organisiert und konnte sich bislang breiter Unterstützung in der Bevölkerung sicher sein. Doch die beginnt zu bröckeln."

Ähnlich sieht das die PFORZHEIMER ZEITUNG:

"Auf dem Rücken derer, für die sie da sein sollen und wollen, müssen die Mediziner die Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern austragen. Deren Unterhändler lassen mit ihrer harten Haltung wenig Zweifel daran, dass sie die Zwickmühle der Ärzte zu ihren Gunsten nutzen wollen. Daran sollten alle denken, die den Medizinern vorwerfen, dass inzwischen viele Schwerkranke seit Tagen und Wochen auf Operationen warten: Schuld daran sind auch die Arbeitgeber."

Und nun zu einem zweiten Thema. In Afghanistan sind wieder schwere Kämpfe ausgebrochen. An einem der blutigsten Tage seit dem Sturz des Taliban-Regimes vor fast fünf Jahren sind nach Agenturberichten mindestens 70 Menschen getötet worden. Unter anderem hatten mehrere hundert Taliban-Kämpfer die Stadt Mussa Kala im Süden des Landes stundenlang angegriffen. Die jüngste Eskalation hat die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen motiviert, sich mit der komplexen Lage in Afghanistan zu befassen.

Die NEUE PRESSE aus Hannover schreibt:

"Es klingt absurd: Aber je länger die westlichen Truppen in Afghanistan sind, je mehr Geld an den Hindukusch gepumpt wird, umso unsicherer wird es in den Provinzen außerhalb der Hauptstadt Kabul. Fünf Jahre nach dem Sturz der Taliban gibt es immer noch nicht genug Truppen. Vor allem im Süden Afghanistans hat die Regierung in Kabul ganze Landstriche nicht unter Kontrolle. Eine militärische Lösung wird es kaum geben. Politisch bietet sich kein Ausweg an, weil mit den Taliban-Milizen nicht zu reden ist. Entscheidend wird sein, wer den längeren Atem hat."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beleuchtet dagegen die internationalen Aspekte des Konflikts:

"Gibt es jetzt in Afghanistan etwas, das vor Jahren nicht existierte: eine enge Verbindung zwischen dem Irak und den Taliban? Muslimische Kämpfer, die nach dem Krieg der Amerikaner und Briten gegen Saddam Hussein nach Mesopotamien gekommen waren, um dort den «heiligen Krieg» gegen die Besatzer und die neue Regierung zu führen, sind vielleicht nach Afghanistan zurückgekehrt, wo sie jetzt die Reihen der dezimierten Taliban verstärken. So erklären sich manche die jüngsten Zusammenstöße im Süden Afghanistans, bei denen möglicherweise mehr als hundert Menschen getötet worden sind. Bei Kandahar kam es zu Gefechten, in denen die Amerikaner auch die Luftwaffe einsetzten. Es waren die heftigsten, auch für die neue afghanische Armee verlustreichen Kämpfe seit dem Sturz des Taliban- Regimes von Mullah Omar Ende 2001."

Der WIESBADENER KURIER vertritt folgende Ansicht:

"Das Engagement des Westens in Afghanistan gerät zum Kampf gegen Windmühlen. Geld, politisches Know-how und moralische Unterstützung reichen nicht aus, um die Beharrungskräfte zu überwinden. Aufgeben will niemand, der derzeitige Schwebezustand kann aber auch nicht ewig währen. Mit der fatalen Folge, dass der ganze Aufwand sich früher oder später als vergeblich erweisen könnte. Keine rosigen Aussichten für die deutschen Soldaten der Isaf-Truppe, die in dieser brisanten Lage ihren Einsatz auf besonders gefährdete Gebiete des Krisen-Landes ausdehnen sollen."