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Pressestimmen von Freitag, 2. Juli 2004

zusammengestellt von Herbert Peckmann1. Juli 2004

Bundespräsident Köhler tritt Amt an/ Saddam Hussein vor dem Haftrichter

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Die Antrittsrede des neuen Bundespräsidenten Horst Köhler im Bundestag steht im Mittelpunkt der Zeitungskommentare in Deutschland. Herausragende Beachtung findet auch die Vorführung des gestürzten irakischen Staatschefs Saddam Hussein vor dem Haftrichter.

Zur Rede des neuen Bundespräsidenten schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"In seiner partiell fast schelmischen Antrittsrede zählte Horst Köhler zwar die Malaisen des Landes auf, so wie dies seine Vorgänger auch gern getan haben. Er tat dies aber ohne Pathos und ohne Grämlichkeit - unverkrampft, würde Roman Herzog sagen. Sicher, es war eine Rosenkranz-Rede: Fast alle aktuellen Themen - Europa und der Umbau des Sozialstaats, die Beziehungen zu den USA und die Gleichstellung der Frauen, das Schicksal Afrikas, der Föderalismusreform, der Jungen, der Alten und der 68er, samt dem allfälligen Appell zum Aufbruch - sie waren aufgereiht wie die Perlen an der Schnur, und wurden ... nein: das eben nicht, nicht heruntergebetet."

Die Zeitung DIE WELT wurde von der Rede Köhlers überrascht. Weiter heißt es:

"Wer eine schwere, gramgebeugte Rede von ihm erwartet hatte, erlebte einen geradezu heiteren Auftritt. Seine Botschaft bleibt lapidar: Wir stecken tief im Schlamm. Wir müssen da dringend raus. Aber wir dürfen uns dabei nicht verrückt machen. Das war kein kühles Abrechnen eines Ober-Controllers der Nation; auch keine Theatralik aus politischem Kalkül. Da sprach ein ernsthafter Mann von ernsthaften Dingen auf eine Weise, die Spaß machte."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG stellt fest:

"Horst wer? fragt keiner mehr. Nach der gestrigen Rede schon gar nicht. Dieser Bundespräsident bringt frischen Wind ins Amt. ...Der 61-jährige politische Seiteneinsteiger nimmt dabei Regierung und Opposition gleichermaßen in die Pflicht. Er schreckt auch nicht davor zurück, das sich häufig blockierende föderale Abstimmungsgeflecht von Bundestag und Bundesrat auf den Prüfstand zu stellen."

Den Einfluss Köhlers auf die aktuelle politische Lage analysiert das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Die Deutschen warten darauf, dass ihnen über Praxisgebühr und Arbeitslosengeld II hinaus erklärt wird, was Strukturreformen bringen können. Jemand wie Köhler ...kann außerdem von einer Fehlentwicklung unseres Politikbetriebs profitieren: Lebenswirklichkeit und politisch aufbereitete Realität fallen immer stärker auseinander. Partei- und Regierungspolitik richten sich nach den gut organisierten Lobbys und dem regelmäßig gemessenen Meinungsdruck, nach dem Politbarometer."

Und der Bonner GENERAL-ANZEIGER kommentiert:

"Horst Köhler hat sich gestern als gleichermaßen nachdenklicher und menschlicher Bundespräsident präsentiert. Wie seine Vorgänger wird auch er manchmal an den Grenzen seines Amtes leiden. Wie sie wird er seinen eigenen Stil prägen müssen. Seine Antrittsrede, in ihrer Themenvielfalt fast so etwas wie eine präsidiale Regierungserklärung, lässt Gutes erwarten."

Themensechsel. Mehr als ein Jahr nach seinem Sturz muss sich der irakische Expräsident Saddam Hussein erstmals vor Gericht verantworten. Dazu meint die NEUE RUHRZEITUNG aus Essen:

"Wie die Bilder sich doch gleichen: Saddam Hussein, der gestern dem Haftrichter vorgeführt wurde, erinnerte an den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic bei seinen Auftritten vor dem Haager Kriegsverbrecher-Tribunal. Beide fühlen sich ungerecht behandelt, stempeln die Verfahren als 'Theater' ab, erkennen die Gerichtsbarkeit nicht an. Das kann niemanden ernsthaft wundern. Die Unabhängigkeit der Justiz gehört nicht zur Grundausstattung von Diktaturen."

Zum Schluss noch die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt:

"Gäbe es schon eine irakische Verfassung und eine gewählte Regierung, wäre gewiss nichts gegen die nationale Aufarbeitung einzuwenden. So aber gilt die von der Übergangsregierung wieder eingeführte Todesstrafe, die von vornherein einem Prozess im Wege steht, der beispielgebend in der Region wirken soll. Denn am Ende darf nicht wie bei der Hinrichtung der Ceausescus in Rumänien der Eindruck eines niedrigen Racheaktes entstehen."