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Pressestimmen von Freitag, 20. April 2007

Gerhard M Friese19. April 2007

Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen

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Einen nachhaltigen Aufschwung haben die fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten festgehalten. Die Wirtschaft boomt und im nächsten Jahr soll sogar ein Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung möglich sein. Dennoch sind die Kommentare deutscher Tageszeitungen eher vorsichtig.

So schreibt die Berliner TAGESZEITUNG (TAZ):

"Zur Euphorie besteht kein Anlass. Fakt ist, dass in den letzten zehn Jahren in keiner anderen Exportwirtschaft die Löhne so schwach gestiegen sind wie in Deutschland. Mit Hilfe niedriger Löhne haben deutsche Unternehmen ihre ausländischen Konkurrenten verdrängt. Im Inland hat diese Lohnzurückhaltung in der gleichen Zeit 600.000 Arbeitsplätze gekostet. Kein Wunder, dass von der wichtigen Konsumnachfrage bis heute kaum Impulse kommen. Dass die Wirtschaftsforscher trotzdem weiter Lohnzurückhaltung und Steuersenkungen fordern, von denen vor allem Wohlhabende profitieren, ist unredlich."

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz meint dazu:

"Soll es der Nation aber über den Tag hinaus gut gehen, dann müssen Politik und Tarifpartner in die Puschen kommen und die Weichen für die Zukunft endlich richtig stellen. Der Konsum wird sich nur dann auf dem derzeit guten Niveau stabilisieren, wenn mehr Geld unter die Leute kommt. Und zwar in Form sinkender Steuern und keinesfalls durch Tarifabschlüsse, die den Standort Deutschland erneut unattraktiv machen würden. Das Handbuch dafür liegt seit gestern schwarz auf weiß auf dem Tisch. Ausreden ziehen also nicht mehr."

Auch die in Gera erscheinende OSTTHÜRINGER ZEITUNG plädiert für Steuersenkungen:

"Dass Steuersenkungen angesichts der nach wie vor erheblichen Budgetrisiken und des staatlichen Schuldenbergs von mehr als 1,5 Billionen Euro von vorneherein ausgeschlossen wären, ist eine Mär. Gelänge der Haushaltsausgleich - wie von den Instituten vorhergesagt - tatsächlich schon 2008, eröffneten sich für die Jahre danach in der Tat Spielräume, um den Bürgern einen Teil ihres hart erarbeiteten Geldes zurückzugeben."

Für das Berliner Blatt DER TAGESSPIEGEL liegt der Grund des Aufschwungs bei den Reformen der Regierung Schröder. Weiter heißt es:

"Den Arbeitgebern ist es zudem über mehrere Jahre gelungen, den Lohnhunger der Gewerkschaften zu zügeln. Jetzt rechnet es sich wieder, hierzulande Geld in neue Fabriken zu stecken. Und weil wieder mehr Leute ein regelmäßiges Einkommen haben, zieht die Binnennachfrage an. Nicht zuletzt sind deutsche Produkte in aller Welt beliebt wie eh und je."

Dagegen warnt die STUTTGARTER ZEITUNG:

"Kaum jemand spricht noch von schmerzhaften Reformen, die angeblich so dringend erforderlich sind. Plötzlich ist Optimismus Trumpf. Das kräftige Wachstum wird sich nach der jüngsten Prognose der großen Wirtschaftsforschungsinstitute zumindest bis ins nächste Jahr hinein fortsetzen, die Arbeitslosigkeit sinkt, und zum ersten Mal seit Jahrzehnten sind sogar ausgeglichene Staatsfinanzen in Sicht. Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Denn die Ökonomen liegen mit ihren Vorhersagen regelmäßig daneben."

In den NÜRNBERGER NACHRICHTEN lesen wir:

"Bei so viel Zuversicht darf jetzt nur eines nicht passieren: Der Aufschwung darf nicht über Gebühr strapaziert werden. Doch schon zerren viel zu viele an der vermeintlich fetten Beute. Wirtschaftsminister Glos verspricht Steuersenkungen auf breiter Front, Familienministerin von der Leyen fordert Milliarden für Krippenplätze. Und die Gewerkschaften trotzen den Arbeitgebern Tarifabschlüsse ab, die bereits jetzt viele Betriebe überfordern. Doch wenn mehr Fell verteilt wird, als der Bär eigentlich hergibt, dann wird dem Aufschwung schneller die Puste ausgehen, als uns allen lieb sein kann."

Die Ulmer SÜDWEST-PRESSE konstatiert:

"Wenn der Berliner Etat im kommenden Jahr tatsächlich ohne neue Schulden auskommen sollte, kann keineswegs Schluss mit Konsolidieren sein. Denn dazu müsste Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erst noch die Kleinigkeit von weiteren 20 bis 30 Milliarden Euro aus seinem Etat herausmosten - am elegantesten durch vorzeitiges Schuldentilgen. Doch auch dann kann von nennenswerten Spielräumen für Steuersenkungen nicht ernsthaft die Rede sein."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN meinen:

"Wer mag noch von Sparen und Haushaltssanierung hören, wo die Defizite von Staat und Sozialkassen schmelzen wie die Gletscher in den Alpen? Wir leben noch immer auf Pump, da hat Finanzminister Peer Steinbrück Recht. Trotzdem stehen er und die SPD auf verlorenem Posten, wenn sie sich bei anhaltend guten Zahlen weiter sträuben, die Arbeitnehmer bei den Abzügen wenigstens teilweise zu entlasten, zumal die Steuern für Unternehmen gesenkt werden."

Abschließend die FRANKFURTER RUNDSCHAU, die sich mit der Ankündigung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück befasst, er strebe für 2010 einen ausgeglichenen Haushalt an:

"Für Steinbrück gab es gute Gründe, sich aus der Deckung zu wagen. Seine Schwarzmalerei für die öffentlichen Finanzen wurde mit jeder rosigen Zahl unglaubwürdiger. Zuletzt sagten die Institute für 2008 eine Null vorher. Im Vergleich dazu hat sich Steinbrück mit seinem Fahrplan zwei Jahre Luft verschafft. Vor allem aber braucht er die Selbstverpflichtung, um sich in der Koalition gegen wachsende Widerstände durchsetzen zu können. Mit dem neuen Zieldatum kann er jeden Ausgabenwunsch abwehren. Wer jetzt Geld haben will, muss wissen, was er riskiert. Mit jeder Milliarde mehr steigt die Gefahr, dass die Bundesregierung ihr Versprechen bricht. Und das ist eine Schuld, die niemand gerne auf sich nimmt."