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Pressestimmen von Freitag, 21.Dezember 2001

zusammengestellt von Gerd Winkelmann 20. Dezember 2001

Berlins rot-rote Führung/ Des Bürgers Sicherheit/ Scharpings Mißgeschick/ Argentiniens Depression

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Für die einen Schreckgespenst, für die anderen konsequenter Wählerwille: Die Regierung von SPD und PDS in der Hauptstadt Berlin ist so gut wie unter Dach und Fach. Die STUTTGARTER ZEITUNG kommentiert das diesem Freitag so:

"Die PDS funktioniert nach innen und nach außen nur, weil der fortgesetzte Ost-West-Gegensatz in Deutschland alle anderen Risse übertüncht. Auch als pragmatischer PDS-Lokalpolitiker lässt es sich wunderbar über Landes- und Bundesregierungen wettern, die ihre Kommunen böse knebeln. Als Regierungspartei in ostdeutschen Ländern bleibt der Partei die Klage über die Fehler beim Aufbau Ost, über Länderfinanzausgleich und Steuerausfälle. Genau das ist der Grund, warum selbst bittere politische Pillen, die von der PDS in Mecklenburg-Vorpommern und zum Teil in Sachsen-Anhalt geschluckt wurden, nicht zur vielbeschworenen Entzauberung der Partei geführt haben. Im Zweifelsfall sind die anderen schuld - und die Solidarität der Ostdeutschen kann weiter funktionieren. Auch in Berlin könnte dieses Kalkül aus Sicht der PDS aufgehen: Hier steht der Bund für Schuldzuweisungen parat. Doch das wäre verheerend. Die PDS muss nun Farbe bekennen. Die Westparteien fallen künftig als alleinige Sündenböcke aus."

Dazu auch ein Blick in die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg:

"Wer jetzt noch einen Koffer in Berlin hat, der sollte ihn abholen. Natürlich geht auch diese rot-rote Episode irgendwann vorüber. Aber sie wird zumindest an dem in Berlin noch vorhandenen geistigen und materiellen Kapital tiefe Spuren hinterlassen. Nein, Rot-Rot geht an den Befindlichkeiten der meisten Wähler vorbei. Akzeptabel wäre eine Ampel gewesen; oder zur Not eine Minderheitsregierung. So aber regiert der alte Mief weiter. Und bei allen Berührungsängsten gegenüber der PDS: Die Westberliner SPD unterscheidet sich in punkto Machterhalt, Genossenkumpanei und Reformunfähigkeit in nichts von den Genossen im Osten. Aber dieses Cabinet rouge war wohl von Anfang an geplant gewesen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beschäftigt der so genannte "Otto-Katalog":

"Wenn es um neue Sicherheitsgesetze geht, kann die Politik Tür an Tor gar nicht schnell und weit genug aufreißen. So viele Gesetze sind noch nie auf einen Schlag geändert und verschäft worden; so offen wie in diesen Gesetzen ist noch nie gesagt worden, dass der Bürger nicht mehr Subjekt, sondern Objekt der Gesetze ist. Er muss es sich künftig gefallen lassen, dass der Staat sich seiner zu Sicherheitszwecken bedient, auch wenn er sich nichts hat zuschulden kommen lassen."

Neues zum Verteidigungsminister: DIE WELT schreibt zu Scharping:

"Ein Skandal, in jedem Fall: Sollten die USA einen konkreten Einsatz gegen das ostafrikanische Land planen, hätte der SPD- Politiker ein militärisches Geheimnis verraten. Sollte Washington Derartiges aber derzeit nicht beabsichtigen, hätte Scharping ohne jede Not für internationale Verwirrung und eine Beschädigung des Vertrauens in die deutsche Berechenbarkeit gesorgt. Einen dilettierenden Verteidigungsminister aber kann sich ein Land nicht im tiefsten Frieden leisten, und erst recht nicht vor dem Hintergrund einer veritablen außenpolitischen Krise. (...) Ein Wechsel an der Spitze der Bundeswehr zu diesem Zeitpunkt ist unglücklich. Noch unglücklicher aber wäre es, den im Inland wie im Ausland, in der Öffentlichkeit wie in der Truppe diskreditierten Politiker im Amt zu belassen. Scharpings Rücktritt ist längst überfällig".

Zuletzt Bemerkungen zur Lage in Argentinien aus der BERLINER MORGENPOST:

"Die Menschen am Rio de la Plata neigen zu Melancholie und Depression - und bisweilen zu Aufstand und Anarchie. Der jüngste Ausbruch der Gewalt rückt einmal mehr die sozialen Verwerfungen in den Mittelpunkt, unter denen Argentinien seit Jahren leidet. Das südamerikanische Land schiebt einen hohen Schuldenberg vor sich her. Nur der Internationale Währungsfonds verhinderte bislang den Staatsbankrott Argentiniens. Dabei setzt der IWF aber die Daumenschrauben an: Kredit nur bei strikter Sparpolitik. Der Schatten der Globalisierung legt sich auf Argentinien, doch die akute Krise ist hausgemacht in Buenos Aires. So ist etwa die Bindung des Peso an den teuren Dollar fatal, weil Exportchancen dadurch sinken. Die Kapitalflucht gehört zudem seit langem zum guten Ton der Vermögenden."