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Pressestimmen von Freitag, 23. Juni 2006

Ute Wagemann22. Juni 2006

Der Versicherungskonzern Allianz will rund 7.500 Stellen streichen// Plant die große Koalition Steuerzuschüsse zum Gesundheitssystem?

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Der größte deutsche Versicherungskonzern Allianz hat angekündigt massiv Stellen zu streichen. 5.000 Arbeitsplätze sollen bei der Allianz selbst wegfallen und fast 2.500 bei der Tochter Dresdner Bank. Damit beschäftigen sich zahlreiche Kommentatoren der deutschen Presse. Ein anderes Thema ist die Gesundheitsreform.

Wegen der angekündigten Stellenstreichungen kritisiert der EXPRESS aus Köln die Allianz als unfair:

"(...)seit gestern bangen weitere Tausende Menschen um ihren Job, ihre Zukunft, ihre Rente. Und das in einem Konzern, in dem jährlich Riesen-Gewinne eingefahren werden. Allein im vergangenen Jahr waren es bei der Allianz 4,4 Milliarden Euro, in diesem sollen es fünf Milliarden sein. Das ist und war auch ein Verdienst der Mitarbeiter, die nun um ihren Job bangen müssen. (...) Positiv reagierte wie immer nur wieder die Börse. Die Allianz-Aktie stieg um mehr als zwei Prozent auf über 122 Euro. Doch davon haben die Mitarbeiter herzlich wenig."

Die OFFENBACH-POST fragt sich, wie die Kunden der Versicherung reagieren werden:

"Der angekündigte Umbau sorgt für verängstigte Mitarbeiter und eine irritierte Kundschaft. Die kann nämlich gar nicht glauben, dass trotz des massiven Stellenabbaus für sie alles besser werden soll. Schließlich reiben sich die Bewohner einer Region verwundert die Augen, denen die Dienstleistungsgesellschaft mit Garantie auf anspruchsvolle Jobs offeriert wurde. Man mag gar nicht daran denken, was aus dem Bankenzentrum werden kann, wenn die Deutsche Börse im Globalisierungspoker unterliegt..."

Mit der Zukunft des Allianz-Konzerns beschäftigt sich der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth:

"Die Allianz, die als solider aber mit ihren Preisen nicht immer wettbewerbsfähiger Versicherer gilt, wird künftig aggressiver in den Markt gehen.(...)Es bleibt ein fader Nachgeschmack, weil es auch in diesem Fall nicht gelungen ist, die notwendige Wettbewerbsfähigkeit ohne Stellenabbau hinzukriegen. Eine Kapitulation vor den Mechanismen des Marktes, die man auch so deuten könnte: Die Globalisierung frisst ihre Kinder."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf hat Verständnis für die Stellenstreichungen:

"Im Vergleich zu anderen Branchen, auch zu den Banken, haben die Versicherer ihre gewachsenen Strukturen relativ lange gehalten und damit auch Arbeitsplätze geschützt. (...) Aber sie kann sich der stahlharten Realität der Kapitalmärkte nicht länger entziehen. Ihr Geschäftsmodell(...)trifft dort heute eher auf Skepsis: Bei Krisen, auch Einbrüchen am Kapitalmarkt, müssen die Versicherer leiden. Dagegen sind die Wachstumsaussichten verhalten. Die Anleger wollen daher heute satte Renditen sehen, wenn sie in Versicherer investieren. Und die Branche braucht Kapital wie Luft zum Atmen."

Die Große Koalition plant nach Medienberichten massive Steuerzuschüsse für das Gesundheitssystem. Eine Summe zwischen 30 und 45 Milliarden Euro ist im Gespräch. Mit dem Thema beschäftigen sich viele Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Der MÜNCHNER MERKUR kritisiert Kanzlerin Merkel:

"Deutschland ist ein Sanierungsfall, jammert Frau Merkel - und tut alles, dass daraus ein Pleitefall wird. Schwarz-Rot hat die Katze aus dem Sack gelassen: 20, vielleicht 30 oder 45 Milliarden will die Koalition den Einkommenssteuerzahlern und Verbrauchern stehlen. Um das Geld in ein Gesundheitssystem zu pumpen, das zu den weltweit höchsten Kosten nur mittelmäßige Leistungen erbringt. Kassen, Konzerne und Ärzte können sich daraus weiter bedienen. (...) Wenn Deutschland ein Sanierungsfall ist, dann ist Merkel die Insolvenzverschlepperin. In der Wirtschaft geht man dafür ins Gefängnis."

Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG ist verwirrt:

"Die Diskussion über eine Gesundheitsreform wird immer verworrener. Selbst eine erneute drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer scheint nun möglich. Dass dadurch auch Medikamente teurer würden, wird im Eifer des politischen Gefechts fast verdrängt. Wie die Koalition aus den vielen Reformansätzen ein großes und überzeugendes Ganzes machen will, ist völlig unklar. Entsprechend beunruhigt müssen die Bürger sein, zumal über Einsparungen kaum noch geredet wird. Die erhoffte historische Weichenstellung in Richtung Wettbewerb und Sparsamkeit lässt damit weiter auf sich warten."

Die Haltung der SPD zur Finanzierung der Reform begutachtet der MANNHEIMER MORGEN:

"Man muss sich arg wundern über die Gesundheitspläne. Auf einmal soll ein großer Teil des Systems über Steuern finanziert werden. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass die Bundesregierung den Kassen aus akutem Geldmangel die Steuerzuschüsse in Höhe von rund vier Milliarden Euro gestrichen hatte. Noch wunderlicher ist die Tatsache, dass die SPD diesen Vorstoß wagt. Die Union hatte im Wahlkampf massiv für ein Steuermodell geworben, um so ihre Gesundheitsprämie zu finanzieren - und war dafür von den Sozialdemokraten als Steuererhöhungspartei abgewatscht worden."

Die ABENDZEITUNG aus München glaubt, die Gesundheitsreform bis zur Sommerpause stemmen zu wollen, sei ein Fehler:

"Die Hektik, die Schwarz-Rot an den Tag legt, um am Sanierungsfall Deutschland herumzudoktern, ist brandgefährlich. Anstatt (...) wichtige Entscheidungen übers Knie zu brechen, sollte man sich ruhig ein paar Monate mehr Zeit lassen. Sonst endet auch die Regierung Merkel im notorischen Nachbessern von Gesetzen, wie wir es von Rot-Grün noch in schlechter Erinnerung haben."