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Pressestimmen von Freitag, 23. September 2005

Günther Birkenstock22. September 2005

Verhalten des Kanzlers nach der Wahl / Sondierungsgespräche

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Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich am Freitag vor allem mit dem Verhalten des Bundeskanzlers nach der Wahl und den ersten Sondierungsgesprächen zwischen SPD und CDU.

Die in München erscheinende SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt zur Attacke Gerhard Schröders, CDU und CSU seien zwei Parteien und die SPD daher die stärkste Kraft nach der Wahl:

"Mit Verfassungstricks löst man keine Probleme. Das ist die Lehre, die die Politik gelernt haben sollte. Die SPD hat offensichtlich nicht gelernt: Ihr Versuch, die Geschäftsordnung des Bundestages zu ändern, um die CDU/CSU-Fraktion zu spalten und auf diese Weise das Wahlergebnis über die Bande zu korrigieren, ist oder war, auf niedrigerem Niveau, die Wiederholung der bösen Tat... Die Politik versucht, das Recht für ihre Zwecke zurecht zu biegen."

Auch der in Berlin erscheinende TAGESSPIEGEL kritisiert den Kanzler, er verwende unangemessene Waffen im Kampf um die Macht:

"Seine Partei, die SPD, wacht langsam auf. Seit der Wahl war sie im Rausch, nun wird der Blick nüchtern. In welch abenteuerliche Pokerrunden zieht Schröder sie? Das Gerücht kursiert, mit einem Verfahrenstrick sei die Spaltung der Unionsfraktion in CDU und CSU geplant. Das wird erst gestreut, dann bestätigt und später dementiert, um dem Gegner kurz das Waffenarsenal zu zeigen. Doch wer mit kalkulierten Regelverstößen droht, belastet die politische Kultur."

Auch die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam wirft dem Kanzler und der SPD unsaubere Schachzüge vor:

"Gerhard Schröders aggressiver Versuch in der Wahlnacht, am Ergebnis vorbei Pflöcke einzuschlagen, wird scheitern. Im Ergebnis zwingt er sogar die Kritiker Angela Merkels in der Union, sich schützend vor die Vorsitzende zu stellen (...). Der zweite Trick, den der Kanzler im Verein mit Franz Müntefering aus dem Hut zauberte, wird ebenfalls kläglich scheitern."

Mit den laufenden Koalitionsverhandlungen beschäftigt sich das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Mit dem ersten Sondierungsgespräch zwischen Union und SPD haben Vernunft und Realismus in Berlin wieder Einzug gehalten: Persönliche Angriffe blieben aus, Union und SPD bemühten sich um Nüchternheit und geschäftsmäßiges Vorgehen: nichts versprechen, so viele Konjunktive in jedem Satz wie grammatikalisch gerade noch erträglich... Politiker müssen auch das Innenleben ihrer Parteien berücksichtigen."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth sieht eine schwarz-rote Koalition als durchaus vertretbare Notlösung:

"Wenn also die Ampeln mangels politischer Reife in den Parteien noch streiken, bleibt der schwarz-rote Peter an Union und SPD hängen. Eine große Koalition wäre eine Notlösung, aber einer instabilen Minderheitsregierung oder gar weiteren Neuwahlen allemal vorzuziehen. Wie das historische Vorbild von 1966 - 1969 könnte sie einige zentrale Dinge anpacken: Subventionsabbau, Steuervereinfachung, Senkung der Lohnnebenkosten, Föderalismusreform. Wenn eine zeitlich begrenzte Zusammenarbeit das Land voranbrächte, könnten Union und SPD die Nachteile in Kauf nehmen."

Und die KÖLNISCHE RUNDSCHAU betrachtet die Sondierungsgespräche als einen Anfang, der zu einem ungewöhnlichen Ergebnis führen könnte:

"Zwar kam bei der...ersten Sondierungsrunde nicht viel mehr heraus als die Einigung, weiter im Gespräch zu bleiben. Aber das kann der Anfang eines Weges sein, der am Ende zu ernsten Koalitionsverhandlungen führt. ...Jedenfalls sind beide Seiten zum Kompromiss verdammt. Politik kann brutal sein - und manchmal ironisch. Gut möglich, dass sich am Ende eine große Koalition ergibt, an deren Spitze weder Merkel noch Schröder stehen."