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Pressestimmen von Freitag, 24. Februar 2006

Thomas Grimmer23. Februar 2006
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Im Irak ist die Welle der Gewalt nach dem Sprengstoffanschlag auf die Goldene Moschee in Samarra, eines der weltweit wichtigsten Heiligtümer der Schiiten, eskaliert. Mit der aktuellen Situation in dem Land setzen sich die Kommentatoren der deutschen Tagespresse auseinander.

Das MAIN-ECHO aus Aschaffenburg stellt den Anschlag in einen historischen Zusammenhang:

"Eine schlimmere Untat als die Sprengung der goldenen Schiitenmoschee von Samarra hat es in der ganzen islamischen Geschichte nie gegeben. Nicht einmal bei der Brandschatzung Mesopotamiens durch die Mongolen vor 750 Jahren. Die schiitischen Iraker können eine derartige Provokation nicht ohne Vergeltung hinnehmen. (...) Der Bürgerkrieg Schiiten gegen Sunniten ist erklärt, die westlichen Besatzungstruppen drohen zwischen beiden unter die Räder zu kommen."

Die Rolle der Besatzungsmächte beschäftigt auch die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld:

"Es rächt sich bitter, dass die Amerikaner und ihr Alliierten zwar eine Strategie für den Krieg hatten, aber keinen Plan für die Zeit danach. Nicht einmal ansatzweise ist erkennbar, wie das Land inneren Frieden finden könnte. Das Ziel, Demokratie, Freiheit und Wohlstand zu schaffen, ist kläglich verfehlt worden. Die Situation im besetzten Irak ist ein einziger Albtraum."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint zur Dimension dieses Albtraums:

"Wie sehr die Lage außer Kontrolle geraten ist, haben in den vergangenen Tagen Interventionen der Besatzungsmächte gezeigt. (...) Die neuerliche Eskalation signalisiert für den Irak nun eine Krisis im Wortsinn: Die Lage könnte ins Chaotische, in einen offenen Bürgerkrieg umkippen; es bleibt die Hoffnung, daß die Gemäßigten nun den Ernst der Lage begreifen. Dass die Sunniten die Gespräche zur Regierungsbildung vorerst abgebrochen haben, ist allerdings kein gutes Zeichen."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam schreibt schließlich:

"Jenen, die nicht selten als 'Aufständische' bezeichnet werden, geht es nicht allein um Widerstand gegen die amerikanische Besatzung. Es geht ihnen um das gezielte Herbeiführen von Chaos und Bürgerkrieg, um Destabilisierung und das Aufeinanderhetzen der Religionsgruppen. Wer vor dem Umbringen eigener Landsleute und dem Zerstören religiöser Heiligtümer nicht zurückschreckt, ist kein Freiheitskämpfer, sondern ein Fanatiker und Terrorist. Es ist allerdings schon erstaunlich, dass einige Karikaturen in Dänemark zu einem Flächenbrand des Protestes im Nahen Osten führen, während das kaltblütige Zerstören einer historisch unwiederbringlichen Moschee höchstens kritische Kommentare in der arabischen Welt auslöst. Der Westen, von Bush bis UN und Kirchen, hat hier kraftvoller Stellung bezogen."

Mit Blick auf die Vogelgrippe wollen die Bundesländer den Vorrat an Grippemedikamenten für 20 Prozent der Bevölkerung aufstocken. Der Umgang von Politik und Behörden mit der Vogelgrippe ist ein weiteres Thema, das die Leitartikler beschäftigt.

Die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE aus Kassel schreibt:

"Eine Woche Vogelgrippe in Deutschland und es geht zu wie auf dem Hühnerhof: Aufgeregtes Gegacker, heilloses Durcheinander. Die jüngsten Ereignisse mit einem offenbar überforderten Landratsamt auf Rügen und einem nur langsam in Gang kommenden Landwirtschaftsmini- sterium in Schwerin werfen die Frage auf, ob unsere föderalen Strukturen die richtigen Antworten auf Katastrophen dieser Kategorie parat haben. Sobald die augenblickliche Hysterie abgeklungen ist, muss über die Frage ernsthaft nachgedacht werden."

Der Kommentator der NÜRNBERGER NACHRICHTEN belegt die vermeintliche Hysterie mit plastischen Beispielen:

"Bärbel Höhn hätte eigentlich Warnung genug sein müssen; die frühere Umweltministerin der Grünen in Nordrhein-Westfalen hatte die Grenze zum Lächerlichen klar überschritten, als sie die Vogelgrippe auf Rügen mit einer möglichen Absage der Fußball-Weltmeisterschaft in Verbindung brachte. Doch Parteikollegin Antje Hermenau aus Sachsen und FDP-Chef Guido Westerwelle konnten sie auf der anscheinend nach oben offenen Hysterie-Skala mühelos überbieten; sie verlangen wegen der Seuche von der Gewerkschaft einen Stopp der Streiks im öffentlichen Dienst. Dabei stecken sich die Tiere weder in nicht abgeholten Mülltonnen an, noch können Zugvögel in einem staatlichen Krankenhaus erfolgreich behandelt werden."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER fragt nach dem Sinn der Aufstockung von Medikamentenvorräten:

"Unter der Hand war schon manche Begründung zu hören, warum die Vorräte teils völlig unzureichend sind: Die Medikamente seien im Fall einer Grippe-Pandemie nur bedingt wirksam, ihr Einkauf belastend für die Haushalte, die Lagermöglichkeiten begrenzt. Stichhaltig ist das alles nicht. Steht der therapeutische Nutzen der Arzneien tatsächlich in Frage, muss man sie überhaupt nicht einlagern."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND befasst sich schließlich mit einem Aspekt, der offensichtlich nichts mit Hysterie zu tun:

"Nicht ganz von der Hand zu weisen ist indes die Panik der Land- wirte und Geflügelzüchter, die derzeit um ihre Bestände und manchmal um ihre Existenz fürchten müssen. Denn es ist nicht ausgeschlossen und scheint nur eine Frage der Zeit, bis der Erreger auch auf Nutzge- flügel übergreift. (...) Wenn die Tötung von Geflügel behördlich in weiteren Kreisen angeordnet wird oder Sperrbezirke Ausfuhr und Handel beschränken, sollte der Staat für Ausgleich sorgen."