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Pressestimmen von Freitag, 24. Juni 2005

Arian Fariborz 23. Juni 2005

Blair-Rede / Förderung von Elite-Universitäten

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Zentrales Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse an diesem Freitag ist die Rede Tony Blairs vor dem EU-Parlament. Die Leitartikler beleuchten außerdem die Einigung von Bund und Ländern über die Förderung von Elite-Universitäten in Deutschland.

Der britische Premierminister und nächste EU-Ratspräsident Tony Blair hat die Europäische Union zu einer umfassenden Modernisierung aufgerufen. Hierzu schreibt der Berliner TAGESSPIEGEL:

"Der britische Regierungschef fordert nichts Geringeres als eine Runderneuerung der europäischen Institutionen, die fast ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben. Blair hat vor dem Europaparlament in Brüssel erklärt, dass er sich auch für die EU so etwas wie einen 'Dritten Weg' vorstellt, irgendwo zwischen freiem Markt und sozialem Europa. Kommt jetzt also nach 'New Labour' demnächst 'New Europe'? Das wäre fatal. Denn der Wesensgehalt Europas ist nicht wirtschaftlich, sondern politisch."

Zu einem ähnlichen Schluss kommt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Besonders übel genommen wurde Blair, dass er der Verfassungskrise Europas auf dem Europäischen Rat noch eine Budgetkrise hinzugefügt hat. Da ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass er die ohnehin schwankenden europäischen Verhältnisse durch einen kräftigen Schubs ganz aus dem Gleichgewicht bringen wollte: Einem geschwächten französischen Präsidenten und einem lahmenden deutschen Bundeskanzler, die auch als europäisches Duo in den vergangenen Monaten wenig überzeugend wirkten, stellt Blair jetzt eine britische Agenda entgegen und wirbt um Anhänger."

Im Düsseldorfer HANDELSBLATT lesen wir:

"Tony Blair ist zurzeit der Prügelknabe der EU. Selten ist ein neuer Ratsvorsitzender mit so viel Vorbehalten empfangen worden wie gestern der Brite im Europäischen Parlament in Brüssel. Auch im Club der Staats- und Regierungschefs schimpfen fast alle auf ihn. Jacques Chirac, Gerhard Schröder und der scheidende EU-Chef Jean-Claude Juncker behandeln den Mann aus Downing Street gar, als sei er der Totengräber Europas. 'Splendid Isolation' - so könnte das Motto seiner EU-Präsidentschaft lauten. Es könnte aber auch ganz anders kommen. Die Krise hat Energien freigesetzt, die Europas Regenten lange vermissen ließen. Der Leidensdruck ist so groß, dass die Karawane nicht wie früher üblich weiterzieht. So wird endlich über den Unsinn der EU-Agrarpolitik diskutiert."

Dagegen kommentiert die BERLINER ZEITUNG das EU-Modernisierungsvorhaben Blairs wesentlich kritischer:

"Die EU lechzt nach jemandem, der die Zügel in die Hand nimmt. Jetzt muss Blair zeigen, ob er es ernst meint, mit seinem Führungsanspruch und seinen Reformforderungen. Oder ob er doch nur ein gewiefter Geizkragen ist. Seine Kritik an der Agrarpolitik war taktisch geschickt gewählt. Welcher vernünftige Mensch möchte die Landwirtschaftspolitik der EU verteidigen? Nur hat die britische Regierung bisher keinen Hinweis geliefert, was sie anders machen will."


Themawechsel: Nach langem Tauziehen haben Bund und Länder die Förderung von Elite-Universitäten und Milliardenhilfen für die Forschung beschlossen. Hierzu bemerkt die NÜRNBERGER ZEITUNG:

"Es bleiben Zweifel am Konzept von Elitestandorten. Denn wer auf zehn akademische 'Leuchttürme' setzt, sollte sich Sorgen machen, ob es dann in den anderen 340 deutschen Hochschulen nicht ziemlich düster wird. Ganz abgesehen davon, dass die Förderung gar nicht so üppig ausfällt: Gerade im internationalen Vergleich wirkt die ausgelobte Summe von 1,9 Milliarden Euro eher bescheiden. Allein Harvard und Stanford verfügen über einen Jahresetat von mehr als fünf Milliarden Dollar. Das ist mehr als der gesamte BWL-Etat aller deutschen Hochschulen zusammen."