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Pressestimmen von Freitag, 25.Januar 2002

Stephan Stickelmann25. Januar 2002

V-Mann-Affäre beim NPD-Verbotsverfahren / Bündnis für Arbeit / Aufstockung des US-Rüstungshaushalts

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Die V-Mann-Affäre beim Verbotsverfahren gegen die NPD bleibt ein Themenschwerpunkt in den Kommentaren der Tageszeitungen. Beachtung finden zudem das drohende Scheitern des Bündnisses für Arbeit und die Aufstockung des US-Verteidigungsetats.

In der V-Mann-Affäre richtet DIE WELT den Blick auf Innenminister Otto Schily:

"Er kann noch so sehr abwinken, die Verantwortung den Bayern und Nordrhein-Westfalen zuzuschieben versuchen und suggerieren, das Verfahren in Karlsruhe ginge nun eben 'ohne V-Leute' wie gehabt weiter: Er ist und bleibt der politisch Verantwortliche, Rücktritt wäre bei einer Panne dieses Ausmaßes beileibe keine unangemessene Reaktion. Wäre, ja wäre Otto Schily nicht eine der letzten Säulen Schröders in einem blutleeren und konfusen Kabinett, wäre das Verbotsverfahren nicht Projekt einer großen Parteienkoalition gewesen - und wäre nicht Wahljahr. Da gelten ganz andere Gesetze."

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG heißt es:

"Schily lehnt es kategorisch ab, das zu übernehmen, was man die politische Verantwortung nennt. Seine Auftritte vor dem Innenausschuss des Bundestages und vor der Bundespressekonferenz waren harte, zum Teil demütigende Zurechtweisungen seiner Spitzenbeamten und gleichzeitig Angriffe auf alle anderen, die Schily als Beteiligte ausmacht. Man tut Otto Schily kein Unrecht, wenn man ihn als einen Teilzeit-Tyrannen bezeichnet. Er kennt die Schuldigen genau und weiß, dass er gar nicht zu ihnen gehören kann."

Deutlich milder geht die BERLINER ZEITUNG mit dem Innenminister um. Sie stellt die Frage:

"Was könnte Schilys Rücktritt an diesen Pannen heilen, wenigstens für die Zukunft? Nichts. Sein Rücktritt hätte nur einen Effekt: Die NPD hätte es geschafft, über einen Fehler von Beamten, die offenbar nicht genügend politisch denken, einen Minister zu Fall zu bringen, der sehr wohl politisch denkt. Die Nazi-Partei stünde als siegreicher David da, dem der Goliath Staat mit miesen Tricks den Garaus machen wollte. Deswegen eignet sich dieser Vorgang nicht für eine parteipolitische Schlacht."

DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen sucht nach den Gründen für das drohende Scheitern des Bündnisses für Arbeit und kommt zu folgendem Schluss:

"Der wohl wichtigste Grund ist, dass die Bundesregierung im Bündnis zu wenig Orientierung geboten hat. Sie ist politisch verantwortlich; sie hätte deshalb ein klares Ziel vorgeben und Wirtschaft und Gewerkschaften einladen sollen, an dessen Erreichen mitzuwirken. Sie hätte aber auch deutlich machen müssen, dass sie ihre Pläne notfalls allein und gegen Widerstände verfolgen wird. Kanzler Schröder aber, so der Eindruck, nutzt die Runde eher taktisch, verfolgt damit keine langfristige Strategie. Zudem zog sich die Politik allzu oft auf die Vermittlerrolle zurück, wollte keine Seite über Gebühr strapazieren. Das birgt die Gefahr, erpressbar zu werden."

Optimistischer ist das HAMBURGER ABENDBLATT gestimmt:

"Die in jüngster Zeit oft gescholtenen Gewerkschaften haben den ersten Schritt gemacht, indem sie sich doch bereit erklärten, auch über ihre Lohnforderungen - Tarifpolitik also - im Bündnis zu reden. Jetzt müssen auch die Arbeitgeber nachlegen. Ihr im Bündnis gemachtes Versprechen, Überstunden abzubauen und mehr

Teilzeitarbeitsplätze zu schaffen, haben sie bislang noch nicht erfüllt. Und so viele neue Arbeitsplätze sind auch trotz Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften in den vergangenen Jahren nicht entstanden. All dies gehört diskutiert. Solange die am Bündnis für Arbeit Beteiligten dazu bereit sind, wird es leben."

Noch einmal Themenwechsel: Angesichts der Erhöhung der Rüstungsausgaben in den USA stellt die NEUE PRESSE aus Coburg fest:

"Die massive Steigerung folgt dem seit Jahren latent vorhandenen Anspruch der USA, die ganze Welt als eigenen Hinterhof zu betrachten, in dem man für Ordnung zu sorgen habe. Nach dem 11. September ist es der Bush-Administration mit hohem diplomatischen Geschick gelungen, diese eigensüchtige Sichtweise in die Form einer wirklich weltumspannenden Allianz gegen den Terrorismus zu gießen und damit das eigene Sicherheitsbedürfnis zu dem aller Partner werden zu lassen. Nun aber wäre es an der Zeit, zur Normalität zurückzukehren und weiter zu denken. Zu denken etwa an die Ursachen für den abgrundtiefen Hass, der den USA in manchen Teilen der Welt entgegenschlägt. Der wurzelt tief in einer Furcht, die jener in den USA gar nicht unähnlich ist, der Furcht vor dem Fremden nämlich, das einbrechen könnte in die eigene Welt."