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Pressestimmen von Freitag, 26. September 2003

zusammengestellt von Frank Gerstenberg25. September 2003

Schröder zu Hause / Freispruch für Nigerianerin / Pannen bei Maut-Einführung

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Das Gespräch zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und US- Präsident George W. Bush sowie der Freispruch für die Nigerianerin Amina Lawal stehen außenpolitisch im Blickpunkt. In der Innenpolitik befassen sich die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen vor allem mit der Maut-Gebühr.

Die STUTTGARTER ZEITUNG bewertet das Treffen zwischen Bush und Schröder kritisch:

"Wirklich ehrlich gehen George W. Bush und Gerhard Schröder nicht miteinander um. Die Formel 'Wir lassen das, was war, hinter uns' ist zwar aus ihrer Sicht bestechend, weil sie einfach ist und beiden einen scheinbar problemlosen Neuanfang ermöglicht. Für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, für die künftige deutsche Außenpolitik ist sie aber eher gefährlich: Sie vermeidet das Aufarbeiten und verhindert die Analyse von Ursachen und Folgen der Eiszeit - eben weil sie den Versuch der Bewältigung auf das Persönliche, auf die Beziehungen zwischen den beiden Männern an der Spitze, reduziert. Der grundsätzliche, der politische Dissens bleibt bestehen."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam vermerkt mit leiser Ironie:

"Man weiß nicht, ob Gerhard Schröder sich bei George Bush bedankt hat. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Und doch hätte der Kanzler beim Treffen in New York einigen Grund dazu gehabt. Als der US-Präsident im Mai vergangenen Jahres Berlin besuchte, lag die Union in allen Umfragen deutlich vor der SPD, und ohne Flut und vor allem ohne das Anti-Irakkriegs-Thema hätte Schröder am Mittwoch kaum als Kanzler im Waldorf-Astoria logiert. Nun, da der Streit mit Bush, wenn nicht beigelegt, so doch zumindest entschärft ist, befindet sich der deutsche Regierungschef wieder dort, wo er gut ein Jahr zuvor schon war: im Umfragetief und vor einem Berg unerledigter oder zu spät angegangener Reformen."

Die AUGSBURGER ALLGEMEINE befasst sich mit dem Freispruch für Amina Lawal:

"Da sie nur aus formaljuristischen Gründen freigesprochen wurde, kann die nächste Frau in gleicher Sache schon morgen der Tod durch Steinigung ereilen. Hintergrund dieses furchtbaren Geschehens ist ein streng ausgelegter Islam. Die brutale Unterdrückung der Frau ist formalrechtlicher Bestandteil dieser strengen Auslegung des Islam. Wir haben es da mit einem religiös institutionalisierten, permanenten schweren Verstoß gegen das Menschenrecht zu tun."


Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz hofft daher, dass die Aufhebung des Todesurteils positive Folgen hat:

"Ohne den Druck der Weltöffentlichkeit wären die Tage von Amina Lawal gezählt gewesen. Jetzt muss darauf hingearbeitet werden, dass Präsident Olusegun Obasanjo die Aufhebung der Scharia-Gesetzgebung erreicht. Bisher hat der Staatspräsident die Machtprobe mit den Provinzfürsten noch nicht gewagt. Bleibt er bei dieser opportunistischen Haltung, droht Nigeria eine blutige Welle brutaler Menschenrechts-Verstöße. Sechs weitere Bundesstaaten drängen bereits darauf, die Scharia auch in ihrem Bereich einzuführen."


In die Innenpolitik: Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock kritisiert die Pannen bei der Einführung der LKW-Maut:

"Was von der Bundesregierung als sprudelnde Geldquelle präsentiert werden sollte, entpuppt sich bisher als Millionengrab. Nicht nur, dass durch die verzögerte Erfassung der Lkw-Maut dem Bundeshaushalt täglich mehr als fünf Millionen Euro entgehen. Allein die Spediteure kostet es Unsummen, defekte Erfassungsgeräte in ihren Brummis austauschen zu lassen. Zum materiellen Schaden kommt für Deutschland der Imageverlust. Statt sich mit der automatischen Erfassung des Wegzolls als technologischer Vorreiter feiern zu lassen, gibt sich der Auto-Hightech-Standort als Entwicklungsland."

Nach Ansicht der BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG hat das Verkehrsministerium ein Personalproblem:

"Den Ruf der Opposition nach seinem Rücktritt überhörte Bundes- verkehrsminister Manfred Stolpe anscheinend unbeeindruckt. Möglicherweise aber würde er sogar gern hinschmeißen. Vermutlich hält er nur durch, weil kein anderer den Karren aus dem Dreck bugsieren will oder kann. Darin liegt das Problem: Ein Experte auf dem ihm anvertrauten Gebiet ist Stolpe ebensowenig wie seine Amtsvorgänger Müntefering, Klimmt und Bodewig. Die peinliche Pannenserie bei der Einführung der Lkw-Maut bildet dabei nur den Gipfel aller bisherigen Misserfolge."