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Pressestimmen von Freitag, 29. Dezember 2006

Reinhard Kleber28. Dezember 2006

Lage in Somalia / Programm für Langzeitarbeitslose

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Unterstützt von äthiopischen Soldaten und örtlichen Clanführern sind Truppen der somalischen Übergangsregierung in die somalische Hauptstadt eingerückt. Zuvor hatten die islamistischen Milizen Mogadischu aufgegeben, um sich in die Hafenstadt Kismayo zurück zu ziehen. Die Regierung zeigte sich entschlossen, chaotische Zustände wie in der Vergangenheit nicht mehr aufkommen zu lassen. In den Kommentarspalten der deutschen Presse wird die Entwicklung rege kommentiert.

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG lesen wir:

"(...) Viele Somalier werden der Behauptung der Übergangsregierung zumindest misstrauen, sie werde Recht und Ordnung nach Mogadischu bringen. Soldaten der schwachen, aber international anerkannten Regierung haben mit äthiopischer Unterstützung die islamistischen Milizen aus der Hauptstadt vertrieben. Für deren Einwohner stellt sich nun die Frage, ob die Stadt wieder in jene Anarchie zurückfällt, an deren Stelle die Islamisten - anfänglich durchaus willkommen - ihr Regime der Scharia gesetzt hatten, und ob die Kriegsherren von ehedem wieder das Kommando übernehmen."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf meint:

"Die empörte Reaktion der arabischen Welt auf die Einmischung Äthiopiens und die gescheiterte Verurteilung durch den Uno-Sicherheitsrat sind Warnsignale. Zwar kann formal argumentiert werden, dass die von den Islamisten gestürzte Übergangsregierung in Somalia die Hilfe selbst angefordert hat. Doch in der arabisch-islamischen Welt entsteht der Eindruck, der Westen, Russland und China würden zwischen 'guten' und 'schlechten' Invasionen unterscheiden."

Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz gibt zu bedenken:

"Den Somalis bleibt jetzt vielleicht die afrikanische Variante einer Taliban-Diktatur erspart - und der Welt eine neue Terror-Basis. Doch gelöst ist damit auf Dauer nichts. Die Islamisten tauchen ab und demnächst als Guerilleros aus dem Hinterhalt wieder auf. Die Übergangsregierung - von Äthiopiens Gnaden - wird sich auf finstere Kriegsherren stützen. Und die Bevölkerung sehnt sich vergeblich nach Frieden."

In den LÜBECKER NACHRICHTEN lesen wir folgende Stellungnahme:

"Was immer die Islamisten in Somalia im Schilde geführt haben mögen: Sie schufen zunächst einmal wieder so etwas wie Ordnung im verwüsteten Land - und können sich jetzt mit der von ihnen so geliebten Märtyrer-Gloriole kränzen, weil ihre neue Ordnung von der US-nahen äthiopischen Armee wieder eingestampft wird. Die Herzen und Köpfe der Menschen wird die US-Politik so ebenso wenig gewinnen wie im Irak. Stattdessen tut sich ein weiterer militärischer Abgrund auf, an dem zahlreiche Staaten mitschaufeln, in den ganz Ostafrika zu rutschen droht und von dem niemand weiß, wie er rechtzeitig zu überbrücken wäre."

Soweit zur Entwicklung in Somalia. Und nun zum Programm der großen Koalition für schwer vermittelbare Langzeitarbeitlose in Deutschland. Für rund 100.000 Betroffene solle möglichst ab Frühjahr sozialversicherungspflichtige Arbeit aufgebaut werden, so der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner. Der Vorstoß stieß bei den Leitartiklern der deutschen Zeitungen auf ein lebhaftes Echo.

Die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN schreiben zu der Initiative:

"So löblich das geplante Jobprogramm für rund 100.000 Langzeitarbeitslose auch sein mag. Letztlich bleibt es nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Koalition schätzt die Zahl derjenigen, die keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, mit 200 000 bis 400 000 viel zu gering ein. Die Entwicklung in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zeigt eines deutlich: Es wird nie wieder Vollbeschäftigung geben. Auch wenn die Industrie schon händeringend nach Fachkräften sucht - für einen nicht unwesentlichen Teil der Arbeitslosen kommen solche Jobs nicht in Frage."

Die HEILBRONNER STIMME merkt an:

"Politiker erliegen immer wieder der Versuchung, selbst direkt in den Arbeitsmarkt einzugreifen. Programme sollen Jobs schaffen. So auch jetzt die Bundesregierung. 100 000 Stellen sollen her. Das klingt gut. Das Bild zupackender Volksvertreter entsteht. Doch der Eindruck täuscht. Der Arbeitsmarkt funktioniert weder nach Wunschdenken noch nach Planung, sondern ist - wie das Wort sagt - ein Markt. Politik kann keine Jobs aus dem Hut zaubern. Sie kann nur fördernde Rahmenbedingungen schaffen."

Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus gibt zu bedenken:

"Sage niemand, für die Bezahlung einfacher Einkaufsdienste oder der Aufarbeitung von Schulmöbeln sei kein Geld da. Etwa 800 Euro 'kostet' ein Langzeitarbeitsloser monatlich an staatlichen Transfers. Wäre es nicht besser, damit Arbeit zu finanzieren? Mehr als eine Milliarde Euro für Aktivierungsprogramme wurden bei der Bundesagentur für Arbeit in diesem Jahr noch nicht ausgeschöpft. Auch dieses Geld ließe sich in ein Job-Programm für Hartz-IV-Betroffene umleiten. Die Große Koalition muss es nur wirklich wollen."

Vor dem Hintergrund des Job-Programms beleuchtet die STUTTGARTER ZEITUNG die Frage, inwieweit die Regierungskoalition überhaupt reformfähig ist:

"Diese Koalition ist in der Erwartung gewählt worden, sie werde sich mit ihren Mehrheiten zu großen Reformschritten aufraffen. Angela Merkel hat zwar als Kanzlerin nur kleine Schritte angekündigt, aber immerhin viele und vor allem konsequente. Nun hat sich ihr (Koalitions-)Partner aus Angst vor den Umfragewerten behände ins Bremserhäuschen geschwungen - drei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl. Angela Merkel sieht noch nicht einmal die Hälfte des Weges zurückgelegt, (SPD-Chef) Beck fühlt sich bereits an dessen Ende. War der Reformprozess bisher schon mühsam genug, so droht nun der Stillstand (...)."