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Pressestimmen von Freitag, 3. August 2007

Eleonore Uhlich2. August 2007

Bahn-Privatisierung / Brückeneinsturz in den USA

https://p.dw.com/p/BPKB

Themen dieser Presseschau sind der Brückeneinsturz in den USA sowie die Pläne zur Privatisierung der Deutschen Bahn. Die Bundesländer wollen die geplante Teilprivatisierung blockieren. Bei einer Sonderkonferenz mit Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee lehnten die Länderressortchefs dessen Gesetzentwurf rundweg ab und verlangten Nachbesserungen. In den Kommentaren der deutschen Tageszeitungen ernteten sie dafür überwiegend Verständnis.

In der OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock lesen wir:

'Das Stoppzeichen war so einstimmig und quer über die Parteigrenzen hinweg gar nicht erwartet worden. So nicht, haben die Länderminister dem Bundeskollegen in den Urlaub hinterher gerufen. Zu Recht, denn eine Privatisierung a la Tiefensee machte die dann börsennotierte Bahn zum Herrscher über das Netz. Wettbewerb fände nur statt, wenn die Bahn es zulässt. Und der Bahnverkehr auf dem flachen Land würde weiter ausgedünnt.'

Die PFORZHEIMER ZEITUNG notiert:

'Das Misstrauen kommt nicht von ungefähr: 54 Prozent der Deutschen sind laut Infratest-Dimap gegen die Teilprivatisierung der Bahn. (...) Das Schlimme ist: Die Befürchtungen sind alles andere als aus der Luft gegriffen. Denn wohin das Unternehmen will, hat es immer wieder deutlich gemacht: Man hat es auf die lange Strecke und den finanzkräftigen Kunden abgesehen.'

Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG unterstreicht:

'Gerade Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen (...) fühlen sich in die Zange genommen, wenn einerseits der Bund seine Mittel für den Nahverkehr kürzt und sie andererseits notfalls mit Landesmitteln einspringen müssen, um wenig frequentierte, aber notwendige Strecken aufrecht zu erhalten. (...) Für ein Gesetz, das dem Unternehmen nützt, den Kunden aber Nachteile bringen kann und den Steuerzahlern Risiken aufbürdet, dürfen die Weichen nicht gestellt werden.'

Die LÜBECKER NACHRICHTEN urteilen:

'Die Sorgen der Landesverkehrsminister sind berechtigt. Warum soll eine Teilprivatisierte Bahn AG Nebenstrecken bedienen, wenn mit lukrativen Verbindungen viel mehr Geld zu verdienen ist? (...) Private Investoren, die bei der staatlichen Bahn einsteigen sollen, wollen Rendite sehen. Unter diesen Vorzeichen muss wegfallen, was nicht hochprofitabel ist. Privatisierung ist nichts Schlechtes. Aber sie muss gut gemacht sein. Das Tiefensee-Konzept ist das typische Produkt einer Großen Koalition. Ein Kompromiss, mit dem die Regierungspartner leben können, der aber nichts taugt. '

Die Zeitung MAIN-ECHO stellt abschließend dazu fest:

'Mit kleineren Änderungen am Tiefensee-Modell ist es allerdings nicht getan. Nur bei einer strikten Trennung von Schienennetz und Bahnbetrieb macht die Privatisierung wirklich Sinn. Der Staat sollte Eigentümer des Schienennetzes bleiben, die Bahn sich auf den Betrieb der Züge und ihrer anderen Aufgaben als Logistikkonzern konzentrieren. Gelingt das nicht, sollte man auf die Privatisierung lieber ganz verzichten.'

In der Stadt Minneapolis in den USA ist eine Autobahnbrücke eingestürzt. Mitten im Berufsverkehr war das sechsspurige Bauwerk über den Mississippi in sich zusammen gebrochen. Dabei wurden zahlreiche Fahrzeuge und Menschen mit in die Tiefe gerissen.

'Was ist los in Amerika?', fragen die STUTTGARTER NACHRICHTEN und führen aus:

'Neuerdings passieren dort die unglaublichsten Dinge: In New York explodieren die unterirdischen Dampfleitungen und reißen riesige Löcher in die Straße, die Astronauten fliegen betrunken ins All, und jetzt bricht eine ganze Autobahnbrücke ein wie in einem Katastrophenfilm aus Hollywood? In den USA dem Land, das die Wahlkämpfer jetzt wieder ständig das großartigste Land der Welt nennen ist nicht alles Gold, was glänzt. Die USA sind hochbürokratisch, aber an vielen Stellen völlig mangelhaft organisiert. Allerdings darf man dieses Argument auch nicht überstrapazieren, denn selbst in einem Land mit wesentlich besserer Infrastruktur und staatlicher Kontrolle wie Deutschland passieren schlimme Unglücke. So gesehen gibt es nun wirklich keinen Grund zur Schadenfreude.'

Die Zeitung NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld merkt an:

'Im ständigen Kompetenzgerangel der vielen zuständigen Behörden, geht manches schief. Dass die USA die besten Wissenschaftler der Welt haben und eine Supermacht der Hochtechnologie sind, zugleich aber unfähig, ordentliche Abwasserkanäle oder zuverlässige Stromleitungen zu bauen, ist einer der vielen Widersprüche dieses Landes.'

Die in Münster erscheinenden WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN lenkt den Blick auf Deutschland und analysiert:

'Der Brückeneinsturz in den USA demonstriert in großer Tragik die Fragilität moderner Industriegesellschaften. Alltägliche Mobilität ist einer ihrer Grundpfeiler. Die ist seit der Katastrophe nicht mehr ganz so selbstverständlich. Deutsche Autofahrer, Verkehrsplaner und Straßenbaulastträger haben wenig Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Zwar können die Verantwortlichen darauf verweisen, dass es in Deutschland ein feinmaschiges Netz von Prüfungen gibt. Fakt ist aber auch, dass große Teile gerade des Fernstraßennetzes in die Jahre gekommen sind und immer mehr marode Bauwerke saniert werden müssen. ... Auch in Zeiten klammer öffentlicher Kassen darf nicht auf Kosten der Sicherheit von Menschen gespart werden.'

Die RHEIN-ZEITUNG resümiert:

'Es bleibt ein mulmiges Gefühl, vor allem bei Staus auf Autobahnbrücken. Und wenn mal wieder ein Schild zu 80 wegen Brückenschäden auffordert und so mancher Zeitgenosse mit 140 km/h über das Bauwerk brettert, dann wäre das eher eine Kontrolle wert als mitten in der Nacht auf leerer Straße. Die Gefahr auf Deutschlands Straßen lauert ganz woanders. Harmlos auf Brücken stehende Menschen mit Steinen in der Hand zum Beispiel.'