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Pressestimmen von Freitag, 3. Februar 2006

Gerhard M Friese2. Februar 2006
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Die Vertragsverlängerung für den Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, und der Streit zwischen der westlichen und der muslemischen Welt über Karikaturen des Propheten Mohammed in westlichen Medien beschäftigen an diesem Freitag die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen.

Die Berliner Zeitung NEUES DEUTSCHLAND schreibt zu der
Vertragsverlängerung für Ackermann:

"Diese Beschlüsse von hohem Symbolwert zeigen, dass sich der Global Player Deutsche Bank einen Dreck um die Öffentlichkeit schert. Ackermanns Arroganz, seine justiziablen Verfehlungen in der Mannesmann-Affäre, der gnadenlose Stellen- und Filialabbau werden sogar noch geadelt.... Der Politikerdebatte über 'gute Unternehmensführung' zum Trotz und unterstützt vom Aufsichtsrat, bildet man eine kleine verschworenen Gemeinschaft, bei der eine Hand die andere wäscht. Bislang suchten Sprachexperten vergeblich nach einer praktikablen deutschen Übersetzung für 'Corporate Identity'. Der Deutschen Bank sei Dank, gibt es sie jetzt: Korpsgeist."

Die Düsseldorfer Wirtschaftszeitung HANDELSBLATT spricht von einem Mangel an kommunikativer Offenheit und Präsenz:

"Das gilt auch für die Debatten, die geführt werden über
Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Ackermanns Vorgänger Abs und Herrhausen haben vorgemacht, wie man hier zum Vorreiter wird. In den USA genießen Topmanager vor allem auch deshalb ein höheres Ansehen als hier zu Lande, weil sie ihr Haus im Sinne der 'Corporate Citizenship' bewusst als 'gute Mitbürger' repräsentieren. Der Chef der Deutschen Bank muss in die Mitte der Gesellschaft zurückkehren, wenn er das Imageproblem lösen will."

Sehr viel positiver sieht die Ulmer SÜDWEST PRESSE das Bild des Bankers:

"Ackermann hat allerdings auch persönlich gepunktet, weil er Statur zeigt. Für ihn, für die Mitarbeiter in der Bank und für die Öffentlichkeit ist endlich klar, dass er nicht an seinem Stuhl klebt. Sollte er im Mannesmann-Prozess tatsächlich rechtskräftig verurteilt werden, wird er sein Amt aus eigenen Stücken aufgeben. Mehr noch: Wenn er aus diesem Grund gehen muss, wird Ackermann keinen einzigen Cent Abfindung erhalten. Weil er selbst das so will."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg bemerkt dazu:

"Der Buhmann des deutschen börsennotierten Großkapitals hat Kreide gefressen. Ein Schaf, das den Wolfspelz abgelegt hat, ist der Schweizer aber nicht. Eher ein Wolf, der nach einer vierjährigen Rutschpartie auf dem Glatteis der öffentlichen Wahrnehmung trittsicheren Boden erreicht hat. Ackermann orientiert unternehmerische Entscheidungen knallhart am Gewinn. Und das bleibt auch so."

In der Diskussion über die Mohammed-Karikaturen machen die STUTTGARTER NACHRICHTEN den grundsätzlichen Widerspruch deutlich:

"Während sich h i er seit Jahrzehnten kaum einer mehr über
spöttische Monty-Python-Filme über das Leben Jesu aufregt, wo es ein Buch mit dem Titel 'Sakrileg' zum Bestseller bringt, wo eine Kruzifix-Debatte zur demokratischen Streitkultur gezählt und ein Hollywood-Kreuzweg zum Kinoschlager wird, liegen d o r t die Nerven schon bei kleinen Provokationen blank. Weil man sich prinzipiell erniedrigt fühlt. So ist zu befürchten, dass der Volkszorn auch künftig ein Ventil finden wird, um das große Misstrauen gegenüber dem Westen in Worte zu fassen."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER wirft Frankreichs Medien vorauseilenden Gehorsam vor:

"Der Kopftuchstreit, die Vorstadt-Randale, die scharfe Debatte über Frankreichs koloniale Vergangenheit zumal in Nordafrika haben die Gräben im Land zwischen Minderheit und Mehrheit noch weiter aufgerissen. Wegen ein paar dänischer Karikaturen will offenkundig niemand das Binnenklima weiter vergiften. Der Schritt freilich, sich einer religiös fundierten Meinungsdiktatur zu beugen, ist klein. Auch Frankreich muss sich zwischen Kuschen und Courage entscheiden. Mit Leisetreterei ist nichts gewonnen."

Die Berliner Tageszeitung TAZ schreibt mit Blick auf Dänemark:

"Weit mehr als die Boykottdrohungen hat die Regierung in Kopenhagen die Tatsache beeindruckt, dass Dänemark sich auf einmal in der ganzen islamischen Welt zum Schurkenstaat erklärt sah, mit allem Drum und Dran. Die bequeme Unauffälligkeit der fremdenfeindlichen dänischen
Politik hat ein rabiates Ende gefunden. Auch die dänische Beteiligung am Irak-Krieg und die Stationierung der Truppen dort findet plötzlich wieder Beachtung. Und egal, ob 'gemäßigt' oder 'radikal': so gut wie alle islamischen Länder sind mit Protesten dabei - mit einer interessanten Ausnahme: der Hamas in Palästina, die es sich mit der EU gerade jetzt nicht verderben will."

Die in Rostock erscheinende OSTSEE-ZEITUNG pocht auf die Pressefreiheit:

"Nun aber ist es an der Zeit, Selbstbewusstsein zu demonstrieren. Es kann nicht sein, dass die Sehnsucht nach guten Beziehungen zur arabischen Welt einhergeht mit der Infragestellung unserer Pressefreiheit. Das käme einem Kniefall vor religiösem Despotismus gleich, den sich keine Demokratie leisten darf, will sie glaubwürdig bleiben. Und zur Demokratie gehört nun mal die Freiheit der Meinung wie das Salz im Ozean."

Und die NÜRNBERGER NACHRICHTEN billigen den Muslimen zwar angemessenen Protest zu, meinen aber:

"Entschieden zu weit geht es aber, wenn muslimische Organisationen von westlichen Politikern verlangen, sie sollten die Veröffentlichung solcher Karikaturen unterbinden. Das wäre Zensur. Und die ist, das müssen Mohammeds Anhänger lernen, in Demokratien nicht zulässig."