1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Freitag, 30. April 2004

zusammengestellt von Walter Lausch29. April 2004

EU-Osterweiterung am 1. Mai/Rentenbesteuerung ab 2005

https://p.dw.com/p/4yY5

Beliebte Themen bei den Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen sind die bevorstehende Ost-Erweiterung der Europäischen Union und die geplante Rentenbesteuerung. Zur EU-Eweiterung schreibt das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Angst gehört zu den deutschen Wörtern, die seit einigen Jahren auch durch andere Sprachen geistern. Die historische Erweiterung der Europäischen Union am 1. Mai löst einen neuen Schub der deutschen Angst vor Veränderungen aus: Angst vor mehr Einwanderern, Angst vor dem Verlust von Jobs, Angst vor einem härteren Wettbewerb. In Wahrheit sind die Ängste unbegründet, und eine ehrliche Debatte über die Folgen der Erweiterung hätte ihnen entgegen gewirkt. Auf dem Weg zu einer neuen industriellen Arbeitsteilung in Europa werden wir zwar harte Anpassungsprozesse erleben. Am Schluss wird sich der erweiterte Binnenmarkt jedoch als großes Wohlstandsprogramm erweisen."

Für die WELT aus Berlin ist der 1. Mai ein historischer Einschnitt:

"Haben wir wirklich begriffen, was morgen geschieht? Seit Wochen und Monaten sprechen wir von der EU-Erweiterung, und oft hörte es sich schon so an, als ginge es bloß um einen weiteren Termin im politischen Alltagsgeschäft. Was für ein Missverständnis! Wir erleben die Vollendung eines der bedeutendsten und vor allem eines der schönsten Kapitel der europäischen Geschichte. Es bedeutet vor allem dies eine und Wichtigste: dass wir die Teilung Europas überwinden, endlich, endgültig."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU fordert eine politische Vertiefung der Erweiterung:

"Ihre strategische Positionierung als Bewegerin wird in der Weltpolitik irreparabel geschwächt, wenn der Eindruck entsteht, dass die EU sich zwar zu einem geografischen Riesen auswächst, politisch aber ein Zwerg bleiben will. Den Beschluss zur Erweiterung hat die EU untrennbar mit dem der Vertiefung verknüpft. Scheitert das jetzt an nationalen Eitelkeiten, kegelt die EU sich selbst aus der Geschichte. Niemand braucht ein großes, aber schwaches Europa. Nicht die Welt und auch nicht die Europäer."

Der Bundestag hat die Rentenbesteuerung ab 2005 beschlossen. Die Union lehnte sie im Bundestag ab, wird sie aber wahrscheinlich im Bundesrat passieren lassen. Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera hat dafür wenig Verständnis:

"Da solches Taktieren keine glaubwürdige Politik ist, stößt es auf Widerspruch, zum Beispiel bei einigen Länder-Regierungschefs. Die Rentenbesteuerung zu Gunsten steuerfreier Beiträge wurde von der Union selbst schon propagiert. Jetzt, da es so weit ist, winden sich Unionspolitiker plötzlich unter heftigen Magenkrämpfen. Denn ersten ist es ein rot-grünes Gesetz und zweitens wird sich der Unmut der Rentner sicher noch entladen. Notfalls kann man dann immer noch darauf verweisen, im Bundestag energisch oppositionell dagegen gestimmt zu haben."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU hält die Rentenbesteuerung für einen richtigen Schritt:

"Das Alterseinkünftegesetz ist nicht weniger als eine kleine Steuerreform. Es verhilft dem Prinzip der nachgelagerten Besteuerung zu umfassender Geltung. Dieses Prinzip ist keine fixe Idee von Professoren, sondern es sollte zu den Grundelementen eines modernen, fairen Steuerrechts gehören: Die Steuerlast soll sich nach der Leistungsfähigkeit der Bürger richten - und damit nach dem Einkommen, über das er zum Zeitpunkt der Steuerzahlung wirklich verfügen kann. Eine überfällige Reform, und es ist peinlich, dass das Bundesverfassungsgericht unsere Politiker dazu erst zwingen musste."

Die Rostocker OSTSEE-ZEITUNG hat Zweifel an dem Gesetzesvorhaben:

"Problem gelöst: Mit dem Ja von Rot-Grün und dem Jein der Union wird die Rentenbesteuerung in Gesetzesform gegossen und eine zentrale Vorgabe aus Karlsruhe pflichtgemäß erfüllt. Rentner und pensionierte Beamte werden nicht nur vor Gott, sondern auch vor dem Fiskus in der Steuerpflicht gleichgestellt. Problem gelöst? Im rauen Alltag wird das Gesetz eher für größeren Ärger sorgen - weil durch die Besteuerung der Renten trotz großzügiger Freibeträge tatsächlich eine ganze Reihe von Ruheständlern schlechter gestellt wird. Und auch der ganz normale Rentenanwärter wird beim Blick ins unübersichtliche Regelwerk feststellen, dass die versprochene Ersparnis sich schnell als Seifenblase entpuppen könnte."