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Pressestimmen von Freitag, 30. August 2002

zusammengestellt von Siegfried Scheithauer.29. August 2002

Wiederaufbau-Programm im Bundestag/Kurswechsel Stoibers im Irak-Konflikt

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Der heftige Schlagabtausch im Parlament zum Milliardenprogramm für den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe regte auch die meisten Kommentatoren auf.

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG hat die Sondersitzung des Bundestags so gesehen:

"Die Chance einer großen parlamentarischen Stunde war da, es kam zu denkwürdigen Wahlkampf-Spektakeln. Man ahnt, wie es weiter gehen wird. Der Flut-Welle folgt die Streit-Welle und am Ende steht der Verteilungskrieg. Fast scheint es so, als hätten sich manche Politiker das Ziel gesetzt, die Spenden-, Hilfs- und Handlungsbereitschaft der Bürger möglichst rasch abzustoppen. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, dann war es der jämmerliche Auftritt des Ronald Schill als Vertreter der Rechtstaatlichen Offensive, der sein Rederecht als Hamburger Innensenator zu einer dümmlichen Abrechnung mit Flüchtlingen, in Not geratenen und sozial Schwachen missbrauchte."

Auch die Zeitung DIE WELT hebt den Eklat um Schill hervor:

"Das dürfte es dann wohl gewesen sein. Wer nach dem gestrigen Auftritt von Roland Schill im Deutschen Bundestag noch glaubt, mit diesem Mann gemeinsam Politik machen zu können, bewegt sich nicht mehr im demokratischen Sektor. Das stellt zu allererst den Hamburger Bürgermeister vor die prekäre Frage, wie es mit seiner Bürgerkoalition weitergehen soll...".

"Wahlkampf pur" meint die WESTDEUTSCHE ZEITUNG zum neuerlichen Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten im Bundestag und schreibt:

"Eines lässt sich allerdings nicht bestreiten: Eine Bundestagsdebatte ist lebendiger als ein steriles Fernseh-Duell: Neue Erkenntnisse waren aber auch im Bundestag nicht zu gewinnen. Am Ende wurde über alles mögliche geredet, nur nicht über das Hochwasser. Die Deutschen, die während der Flut so viel Solidarität an den Tag legten, haben eine derartige Schlammschlacht im Plenarsaal nicht verdient."

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG hat den Regierungschef genau beobachtet:

"Wahlkampf ist nun mal kein neckisches Halma-Spiel, sondern knallhartes Poker, bei dem mit allen Tricks und Kniffen gearbeitet wird. In dieser Disziplin hat es der Kanzler zu beachtlichem Können gebracht: Mit Unschuldsmiene präsentierte Schröder Altbundespräsident Richard von Weizsäcker als Chefverteiler des Zehn-Milliarden-Hilfspakets. Ein geschicktes Manöver, das der Union aufstößt wie Sodbrennen."

Einige der Meinungsmacher der Tagespresse widmen sich dem Kurswechsel von Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber im Irak-Konflikt.

Der MANNHEIMER MORGEN bringt in Erinnerung:

"Stoiber geißelte noch vor wenigen Tagen den Bundeskanzler, weil Gerhard Schröder klarstellte: Kein Irak-Krieg mit Rot-Grün. Als billigen Wahlkampf kritisierte der Christsoziale dieses Versprechen - und hat jetzt selbst den Rückzug eingeleitet. Auch Stoiber will keinen Irak-Krieg ohne UNO-Mandat unterstützen. Damit verabschiedet er sich von einer deutschen Beteiligung an einem militärischen Abenteuer. Wer also keinen Irak-Krieg mit deutschen Soldaten will, kann jetzt auch Stoiber wählen, der gestern putzigerweise die Annäherung der großen Parteien in dieser Frage lobte. Er hätte auch sagen können: Die Union hat es sich anders überlegt."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU resümiert, Stoibers Oppositionslager bleibe - so wörtlich - "selbst im opportunen Hinterherrudern noch verdächtig vage". Sie führt aus:

"...Man hört geradezu die Wackersteine vom Herzen Edmund Stoibers plumpsen. Union und FDP haben eine neue Kulisse gestellt, eine möglichst unauffällige. Sie haben drei Wochen vor der Wahl gemerkt, dass dieses Thema sie auf die Verliererstraße bringen könnte. Sie sind, zur Neutralisierung des Risikos, auf etwas härtere Töne gegenüber den USA umgeschwenkt".

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN merken an:

"Auch Edmund Stoiber hat erkannt, dass er um klare Festlegungen nicht mehr herumkommt... Der Ruf des amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney nach einem Präventivkrieg hat Stoiber die Kurskorrektur freilich leicht gemacht. Saddam Hussein ist ein gemeingefährlicher Despot, doch ein Militärschlag mit dem einzigen Ziel, ihn vom Sattel zu stoßen, wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht".

Der BERLINER KURIER appelliert:

"Die Frage, die wir Europäer den Amerikanern jetzt stellen müssen, ist: Wollt ihr wirklich in einen Krieg ziehen, den die ganze übrige Welt nicht verstehen, ja verdammen würde? Die USA sollten nicht länger Kriegshetzer sein."