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Pressestimmen von Freitag, 4. November 2005

Barbara Zwirner3. November 2005

Vorstellung der neuen PISA-Studie / Krawalle in Pariser Vorstädten

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Die neue PISA-Studie, die in Berlin offiziell von der Kultusministerkonferenz vorgestellt wurde, und die anhaltenden Krawalle in den Pariser Vorstädten sind herausragende Kommentarthemen der deutschen Tagespresse.

Die in Hagen erscheinende WESTFALENPOST schreibt:

"Grundsätzlich gerät Deutschland mehr und mehr in den gefährlichen Sog einer Zweiklassen-Gesellschaft: Wer es sich finanziell leisten kann und wer es intellektuell überschaut, fördert seine Kinder unabhängig vom staatlichen Angebot und zielgerichtet am stetig wachsenden Heer der Enttäuschten und Abgehängten vorbei. Es ist gar nicht mehr die Schere zwischen Ost und West, sondern die allgemein zunehmende Diskrepanz zwischen Armen und Wohlhabenden, zwischen passiver Erwartungshaltung und aktiver Eigeninitiative, die vom Auseinanderklaffen der Bildungs-Chancen zum Auseinanderbrechen der Gesellschaft führt."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER kommentiert:

"Risikoschüler ist kein schönes Wort. Dass sich inzwischen allerdings zwei Drittel der Hauptschüler in Nordrhein-Westfalen so nennen lassen müssen, ist ein bildungspolitisches, aber auch ein gesellschaftliches Desaster. Und dass die Pisa-Studie solche Fehlentwicklungen aufzeigt, ist ihr großes Verdienst. Frühzeitige individuelle Förderung, Sprachkurse für Kinder aus Migrantenfamilien etwa, könnte beispielsweise die Chance von Schülern aus sozial schwachen Schichten, auf das Gymnasium zu wechseln, deutlich erhöhen."

In der FRANKFURTER NEUE PRESSE lesen wir:

"Der Fakt, dass etwa Kinder von Einwanderern seltener Abitur machen als der Nachwuchs von Akademikern, seit 30 Jahren bekannt. Ebenso, warum Deutschland in dieser Frage im internationalen Vergleich so schlecht abschneidet: Es fließt zu wenig Geld ins Bildungswesen. Erst wenn die Mittel zur Verfügung stehen, können Kinder die Förderung erfahren, die sie benötigen, und ihre Talente entwickeln. Geeignete Projekte gibt es genug."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER resümiert:

"Es gibt auch Lichtblicke am Ende des Bildungstunnels. Dass sich nahezu alle Bundesländer im Vergleich zum vorherigen Vergleich verbessern konnten, macht Mut. Auch, dass die Reformen, so unterschiedlich sie auch ausfallen, langsam zu greifen beginnen. Erstmals haben die Bildungsforscher herausgefiltert, dass schlechte Rahmenbedingungen nicht unbedingt zu schlechten Lernleistungen ihrer Schülerinnen und Schüler führen müssen. Danach ist es eine Mär, der nicht angemessen ausgestattete Physikraum, etwa, verhindere zwangsläufig gute Ergebnisse. Weitaus entscheidender ist die Bereitschaft der Kollegien, innovative, engagierte und fantasievolle Wege zu entwickeln."


Themenwechsel. Zu den anhaltenden Krawallen in den Pariser Vorstädten merkt die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND an:

"Clichy-sous-Bois ist weit weg von Berlin-Neukölln. Und im Vergleich zu den Straßenschlachten, die in den vergangenen Nächten wie ein Flächenbrand die Trabantenstädte nördlich von Paris erfasst haben, herrscht in Deutschlands Problemkiezen ein fast idyllischer Frieden. Anlass zur Selbstzufriedenheit sollte das nicht sein. Zu fragen ist vielmehr, woran es denn liegt, dass die Probleme hier noch nicht in der gleichen extremen Art eskaliert sind. Und was zu tun ist, damit es dazu auch in Zukunft nicht kommt. Armenviertel, in denen Zuwanderer und ethnische Minderheiten ohne Aussicht auf sozialen Aufstieg geballt zusammenleben, gibt es in fast allen Staaten Westeuropas und auch in den USA. Das Irritierende an den Gewaltexplosionen in Frankreich ist, dass dort manche Voraussetzungen für die Integration sogar erfüllt sind, um die in Deutschland noch immer gestritten und gerungen wird. Viele der Jugendlichen in Clichy und andernorts sprechen die Sprache ihres Landes, haben seine Staatsbürgerschaft und kommen aus Regionen wie Nordafrika, die von Frankreich kulturell mitgeprägt sind."

Das OFFENBURGER TAGEBLATT meint hingegen:

"Die derzeitigen Krawallen in den Pariser Vorstädten zwischen Polizei und Jugendlichen sind kaum verwunderlich. Längst ist bekannt, dass etwas schiefgelaufen ist bei der Bemühung des französischen Staates, die Kinder der Einwanderergesellschaft in das nationale Gesellschaftsgefüge zu integrieren. Denn es sind in der Mehrzahl genau solche Jugendliche, von denen die Gewalt ausgeht. Es ist nur scheinheilig zu sagen, dass sie ja auch Franzosen sind, einen französischen Pass besitzen. Die Gleichheit, von der man in Frankreich so gerne spricht, hat vor diesen Jugendlichen aufgehört zu existieren."

Noch ein Blick in die NÜRNBERGER ZEITUNG:

"Nun hat in Paris die hektische Suche nach einer Lösung begonnen. Innenminister Sarkozy, der mit abfälligen Bemerkungen über das 'Gesindel' auf Beifall aus dem bürgerlichen Lager gehofft hat, löste einen Sturm der Entrüstung aus. Jetzt setzt Premier Villepin neben starker Polizeipräsenz zugleich auf die Überzeugungskraft eines Reformplans, der das Leben der Jugendlichen verbessern soll. Das aber hätte man längst tun müssen."