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Pressestimmen von Freitag, 8. Dezember 2006

Eleonore Uhlich7. Dezember 2006

Türkei will im Streit mit EU einlenken // Amok-Drohungen halten Polizei auf Trab

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Die deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Freitag mit dem Versuch der Türkei, im Streit mit der Europäischen Union einzulenken. Um die drohende Lähmung der Beitrittsgespräche zu verhindern, bot die Regierung in Ankara an, einen ihrer Häfen vorläufig für Schiffe aus der Republik Zypern zu öffnen.

Die in Berlin erscheinende TAGESZEITUNG - TAZ - stellt dazu fest:

"Nach dem Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Chirac vor wenigen Tagen musste die türkische Regierung einsehen, dass sie mit ihrer harten Haltung den prinzipiellen Gegnern eines türkischen EU-Beitritts eine Steilvorlage geliefert hat. Das jetzige türkische Entgegenkommen ist ein Versuch, diejenigen innerhalb der EU zu stärken, die die Verhandlungen mit der Türkei aufrechterhalten wollen. Das sind vor allem die Briten, Spanier, Finnen und Schweden."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befindet:

"Das Angebot aus Ankara hat noch keine scharfen Konturen, soll jedoch als Geste des guten Willens gedacht sein. In Brüssel hat man positiv darauf reagiert, während die Opposition in der Türkei selbst, die stark nationalistisch geprägt ist, schon Alarm schlägt. Das 'türkische Volk' werde Nachgiebigkeit gerade in dieser Angelegenheit nicht verzeihen, hieß es."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER hält das türkische Angebot für eine Mogelpackung und führt aus:

"Ankara versucht die Bedingungen Brüssels für den Fortgang der Beitrittsgespräche unterhalb des niedrigsten Niveaus zu unterlaufen. Denn die Öffnung je eines See- und Flughafens bedeutet nicht einmal eine vollständige Rücknahme der selbst verhängten Blockade, geschweige denn eine vollständige Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern. Die EU wird aufpassen müssen, nicht nur ihren eigenen Beschlüssen treu zu bleiben, sondern sich auch nicht auseinander dividieren zu lassen", warnt der GENERAL-ANZEIGER.

Die in Düsseldorf erscheinende WESTDEUTSCHE ZEITUNG gibt folgendes zu bedenken:

"Es stellt sich die Frage, warum die Regierung Erdogan nicht schon früher auf die vielen Kompromissangebote der finnischen EU- Ratspräsidentschaft eingeschwenkt ist. Mitunter gewinnt man den unschönen Eindruck, als werde bei den Türkei-Beitrittsgesprächen geschachert und gefeilscht wie auf einem orientalischen Basar."

Die STUTTGARTER ZEITUNG kommt zu dem Schluss:

"Die EU ... hätte sich niemals auf Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ohne eine Anerkennung Zyperns durch Ankara einlassen dürfen. Denn das heißt, ein Familienmitglied auszuschließen, weil man einen Fremden in die Familie aufnehmen möchte. Jetzt sind beide Seiten nahezu bewegungsunfähig. Und so war gestern nicht einmal klar, ob die Türkei versucht, die starren Fronten aufzubrechen."

Nach dem angedrohten Amoklauf in einer baden-württembergischen Schule haben Trittbrettfahrer und angedrohte Gewalttaten bundesweit die Polizei in Alarmbereitschaft gehalten. Die dadurch entstandene neue Diskussion über mehr Sicherheit in Schulen sowie das angemessene Verhalten der Polizei beschäftigt die Kommentatoren ebenfalls.

Die Kölner Boulevardzeitung EXPRESS stellt kategorisch fest:

"Keine Frage: Im Interesse der Sicherheit aller muss jedem Hinweis nachgegangen und jede Spur entschlossen verfolgt werden - auch wenn sie sich nicht erhärtet, wie jetzt in Offenburg. Und selbstverständlich müssen bei jeder Drohung alle Alarmlampen angehen. Deshalb müssen auch die Trittbrettfahrer - die der Polizei jetzt die Arbeit massiv erschweren - verfolgt werden."

Die ESSLINGER ZEITUNG analysiert:

"Unsere Gesellschaft kann in immer geringerem Maß zwischen tatsächlichen und vermeintlichen Bedrohungen unterscheiden. Nötig ist ein gelassenerer Umgang mit Gefahr. ... Gefahr lauert zweifellos fast überall - tatsächlich zum Opfer zu werden ist aber äußerst unwahrscheinlich."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam prognostiziert:

"Es wird auch in Zukunft nicht auszuschließen sein, dass Psychopathen und Kriminelle Teile der Öffentlichkeit in Gefangenschaft nehmen, um Aufmerksamkeit zu erlangen oder - im schlimmsten Falle - noch Übleres anzurichten. Der zentrale Konflikt ist nicht lösbar: Verschweigt man Informationen über einen möglichen Amoklauf, macht man sich im Falle eines Unglücks schuldig. Wird vorher gewarnt, wirkt das auf Trittbrettfahrer verlockend."

Die in Bielefeld erscheinende NEUE WESTFÄLISCHE beschäftigt sich mit den Beweggründen der jugendlichen Trittbrettfahrer und stellt fest:

"Das knappste Gut in dieser Gesellschaft ist die Anerkennung des Anderen ... geworden. Anerkennungsprozesse verlaufen hochkompliziert; denn es geht um Personen und Normen, die Heranwachsende stets neu austarieren müssen. Und wer in der Schule keine Anerkennung erfährt, sucht sie sich außerhalb. Etwa in Gruppen oder im Internet. Gesetze, mehr Polizisten oder auch Heerscharen von Psychologen können diesen Prozess nicht nachhaltig beeinflussen. Über das wirksamste Werkzeug verfügen neben den Eltern die Pädagogen. Man muss ihnen allerdings das richtige Werkzeug an die Hand geben. Anerkennung statt Sanktionen, Förderung statt negativer Auslese."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder resümiert:

"Es scheint sich um das Krankheitssymptom einer Gesellschaft zu handeln, deren Entfaltung zwar fast keine Grenzen gesetzt sind, deren inneres Band aber tiefe Risse aufweist. Egal, ob die Polizei in den nächsten Tagen nun einen Schuldigen präsentieren kann - Entwarnung kann so schnell nicht mehr gegeben werden."