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Pressestimmen von Freitag, 8.Februar 2001

zusammengestellt von Sigrid Klinge8. Februar 2002

Rücktrittsankündigung von Duisenberg/ Affäre um geschönte Vermittlungs-Statistiken/ Scharons Politik mit Blick auf dessen USA-Besuch

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich vorrangig mit der überraschenden Ankündigung des EZB-Präsidenten Wim Duisenberg, zur Jahresmitte 2003 zurückzutreten. Ein weiteres wichtiges Thema sind die Affäre um geschönte Vermittlungs-Statistiken der Arbeitsämter.

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT schreibt zu Duisenberg:

"Keine Frage: Duisenberg will die EZB aus den Schlagzeilen bringen und seinem fachlich hoch geachteten Kollegen, dem französischen Notenbankchef Jean-Claude Trichet, den Weg an die Spitze der Bank ebnen. Doch genau das Gegenteil hat er erreicht. Mit dem von Duisenberg nun früh angekündigten Rücktritt vom Amte wird es für Trichet schwerer und nicht leichter, sich die Nachfolge zu sichern. Der EZB und dem Euro stehen anderthalb Jahre bevor, in denen zunächst über die Nachfolge spekuliert wird - und dann, wenn diese geklärt ist, wird der amtierende Präsident zur 'lame duck', zum Mann ohne Macht und Einfluss."

Die BERLINER ZEITUNG meint:

"Kaum lief die Nachricht um 9.23 Uhr über die Ticker, vollführte der Euro einen respektablen Kurssprung. Daraus sprach keine Erleichterung, sondern Anerkennung. Gleich in doppelter Hinsicht bewies Duisenberg bei der Bekanntgabe seines Rückzugs Geschick. In einem Akt selbstbewusster Souveränität stellte der EZB-Chef klar, welchen Einfluss die Politk auf Europas Währungshüter hat - im Zweifel keinen, abgesehen von der Bestellung der Zentralbankratsmitglieder. Vor aller Welt wurde Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac in die Schranken gewiesen. Er hatte immer wieder behauptet, es gebe die Absprache mit Duisenberg, dass der Niederländer 2002, im Jahr der Einführung des Euro-Bargelds, seinen Posten räumen müsste, um einem Franzosen Platz zu machen."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER betont:

"Ein monatelanges politisches Gezerre um den neuen EZB-Präsidenten kann sich Euroland nicht leisten. Es würde der EZB ebenso schaden wie dem Euro. Duisenberg hat seinen Beitrag zu einer Klärung seiner Nachfolge geleistet. Als lahme Ente steht er jetzt nicht da. Im Gegenteil: Er kann sich jetzt für die letzten 17 Monate seiner Amtszeit unbelastet der Geldpolitik und dem Euro widmen. Dass er bereit wäre, noch länger im Amt zu bleiben, wenn es der Rat wünsche und dies einem glatten Übergang diene, ist allerdings eine überflüssige Einschränkung, die sich Duisenberg hätte (er)sparen können. Jetzt ist allein die Politik gefragt. Zeit haben die europäischen Regierungschefs wahrlich genug."


Themenwechsel: Den Misständen bei der Arbeitsvermittlung widmen sich die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN:

"Der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit hat nun beschlossen, dass er über Unregelmäßigkeiten innerhalb der Behörde 'unverzüglich unterrichtet' werden soll. Schöner können die Mitglieder des Aufsichtsgremiums eigentlich nicht dokumentieren, dass sie sich bisher für die Missstände innerhalb der Anstalt nicht interessiert haben. Die Arbeitsverwaltung mit ihren über 90 000 Beschäftigten ist ein verkrusteter Apparat. Der Politik - ob Kohl oder Schröder, Blüm oder Riester - ist es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen, schlüssige Antworten auf die Herausforderung steigender Arbeitslosigkeit zu geben. "

Der SCHWARZWÄLDER BOTE meint:

"Riester hat erkannt, dass er sich aus der Verantwortung nicht herausmogeln kann. Er setzt deshalb der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit ein Ultimatum. In einer Woche will er entscheiden, ob und welche Köpfe rollen. Das ist zwar zu spät, aber fair. Den Beschuldigten in Nürnberg steht die Chance zu, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen. Es ist nicht zu erwarten, dass Riester selbst Konsequenzen zieht. Auch der Kanzler wird ein halbes Jahr vor der Wahl keinem Minister mehr die rote Karte zeigen."

Zum Schluss noch ein Blick ins Ausland: Zur Politik des israelischen Regierungschefs schreibt der BERLINER KURIER:

"Israels Ministerpräsident Ariel Scharon hält sich für unfehlbar. Und umgekehrt scheint der bullige Israeli alle anderen im Nahost Konflikt beteiligten Frauen und Männer für Dummköpfe zu halten. Kritik an Israels Politik darf nicht geäußert werden. Es sei denn, sie klatscht Beifall für Siedlungs- und Unterdrückungsmaßnahmen. Jetzt drängt der bullige Politiker die USA auf eine Ablösung Arafats. Als ob sich dadurch die Lage zum Besseren oder gar zum Frieden ändern würde. Scharon irrt, weil er an seiner einseitigen Politik festhalten will. Eine Übereinkunft, die nicht einmal Frieden heißen muss, sondern allein die Waffen schweigen ließe, muss daher Israel zu Kompromissen zwingen. Europa und die USA sind hier in der Pflicht. Ob mit oder ohne Arafat - Israels Politik der Gewalt ist eines der Haupthindernisse auf dem Weg zur Nachbarschaft ohne Tote. Wenn überhaupt, muss es heißen: Arafat und Scharon haben die Politbühne zu verlassen."