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Pressestimmen von Mittwoch, 03. Dezember 2003

2. Dezember 2003

Bundeskanzler Schröder in China/CDU-Bundesparteitag in Leipzig

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Die China-Reise von Bundeskanzler Gerhard Schröder und der am Dienstag zu Ende gegangene Bundesparteitag der CDU sind die beherrschenden Themen der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen.

Zunächst zu Schröders China-Besuch.

Die KIELER NACHRICHTEN bemerken:

'Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet diese Bundesregierung, die lieber heute als morgen aus der Atomenergie ausgestiegen wäre, will die alte Hanauer Plutonium-Fabrik an die Chinesen verramschen. ... Ausgerechnet China, die aufstrebende Macht in einer geostrategisch sehr labilen Region, soll eine Anlage bekommen, mit der Grundstoffe für den Bau von Atombomben hergestellt werden können? Wenn das der neue deutsche Weg in der Außenpolitik ist, dann kann einem nur angst und bange werden.'

Kritisch äußert sich auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'China würde mit der Hanau-Technologie in die Lage versetzt, große Mengen Plutonium auch für Atomwaffen herzustellen. ... Und das ist der Knackpunkt. Denn wie bei den anderen großen Atommächten existiert auch in China keine scharfe Trennlinie zwischen zivilem und militärischem Nuklearsektor. Zu hoffen, Peking Vorschriften über die Nutzung der Atomfabrik mitexportieren zu können, wäre blauäugig.'

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf äußert Bedenken gegen Schröders Vorschlag, das EU-Waffenembargo gegen China aufzuheben:

'Wer einen Tiger reiten möchte, so lautet ein altes chinesisches Sprichwort, sollte sich vorher einen Platz zum Absteigen überlegen. Solche fernöstlichen Weisheiten sind unserem Bundeskanzler, dem begeisterten China-Traveller, offenbar fremd. Sonst hätte sich Gerhard Schröder nicht ohne Not und ohne langes Nachdenken für europäische Waffenexporte ins Reich der Mitte ausgesprochen.'

Damit zum CDU-Parteitag in Leipzig:

DER TAGESSPIEGEL aus Berlin kommentiert:

'Die CDU hat auf ihrem Parteitag nach Jahren der Führungsquerelen Tritt gefasst. Sie hat eine Vorsitzende, die nicht mehr angefochten ist. Sie hat mutige Programme verabschiedet. Sie hat sich als Reformpartei neu erfunden. Merkel muss nun an einem Konsens im Vermittlungsverfahren gelegen sein. Ihre Zielmarke ist 2006, vielleicht 2005. Bis dahin braucht Merkel Zeit, ihr Profil als Reformerin zu schärfen.'

Ähnlich die Ansicht der in Frankfurt an der Oder erscheinenden MÄRKISCHE ODERZEITUNG:

'Angela Merkel hat die Herausforderung mit Bravour gemeistert. Noch nie war die Frau aus dem Osten innerhalb der CDU so unumstritten wie jetzt. Wenn sie nun noch bei der Bundespräsidentenwahl einen Unionskandidaten durchbringt, dann ist ihr der Anspruch auf die Kanzlerkandidatur nicht mehr zu nehmen.'

In der STUTTGARTER ZEITUNG heißt es:

'Dass die CDU ... die Vorschläge der CDU-Chefin eindeutig unterstützt hat, dass sie Merkel mit übergroßer Mehrheit auf einem neuen und mutigen, weil nicht risikolosen Weg folgt, zeigt unmissverständlich, wie stark Merkel in ihrer Partei geworden ist.'

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG geht auf das vom Parteitag gebilligte Steuerreform-Konzept von Fraktionsvize Friedrich Merz ein.

'Neben Parteichefin Merkel ist Merz der Gewinner von Leipzig. Aufpassen muss er trotzdem. Wenn die neuen Pläne für das Gesundheitssystem nicht zu finanzieren sind, werden als erstes seine niedrigen Steuersätze geopfert. Dann wäre die jetzt gefeierte Reform nur noch ein Torso.'

Die ABENDZEITUNG aus München geht auf die Rede des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber vor den Delegierten der Schwesterpartei ein:

'Stoiber hat zwar in Leipzig nicht die weiße Fahne gehisst, aber doch mehr als deutlich gemacht, dass im Zweifelsfall die Gemeinsamkeit mit der CDU wichtiger ist als die eigene CSU- Handschrift. Damit hat er instinktiv richtig erkannt, dass unter Schwestern eine CSU-Kanzlerkandidatur nicht beliebig wiederholbar ist.'

Die BERLINER ZEITUNG analysiert die Bedeutung des CDU-Kongresses für die Bundesregierung:

'Für Kanzler Schröder ist der Ausgang beider Parteitage - der seines eigenen und der der CDU - gleichermaßen unerfreulich. Über den Streit in den eigenen Reihen kann er sich jetzt nicht mehr damit hinweg trösten, dass die Opposition noch viel zerstrittener ist. Eine schwache Regierung, eine starke Opposition: Das ist die Momentaufnahme der deutschen Politik im Spätherbst 2003. Gerhard Schröder hat Glück, dass es bis zur nächsten großen Wahl noch so lange hin.'

Redaktion Michael Wehling.