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Pressestimmen von Mittwoch, 05. November 2003

Ulrike Quast6. November 2003

Hohmann-Affäre / 30-Stundenwoche bei Opel

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Die Affäre um die als antisemitisch kritisierte Rede der CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann geht weiter, Verteidigungsminister Peter Struck entließ den Chef des 'Kommandos Spezialkräfte' der Bundeswehr, Reinhard Günzel, nachdem der Brigadegeneral die Rede ausdrücklich gelobt hat. Die schnelle Entscheidung Strucks und die Haltung der CDU zu ihrem Mitglied Hohmann beschäftigen die Kommentare der Tagespresse.

Die Tageszeitung DIE WELT schreibt:

"So schnell wie Reinhard Günzel ist lange kein General mehr entlassen worden. Es hätte keine Sekunde länger dauern dürfen. Was der Chef des Kommandos Spezialkräfte (KSK) dem CDU-Bundestags- abgeordneten Martin Hohmann zu dessen Vortrag über die Juden als 'Tätervolk' schrieb, ist untragbar. Es ist schlimmer als das, was Hohmann sagte. Während der 'nur' über die Rolle der Juden in der Oktoberrevolution schwadronierte, hat sich Brigadegeneral Günzel bei ihm dafür bedankt, 'dass Sie mit diesen Gedanken der Mehrheit unseres Volkes eindeutig aus der Seele sprechen.'"

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

"Einen 'verwirrten General' habe er entlassen, hat der Minister gesagt. Das mag als individuelle Zustandsbeschreibung treffend sein. Die Frage, die sich längst stellt, ist aber eine andere. Es ist die nach dem Nährboden, auf dem solche Verwirrungen als mutige Wahrheiten erscheinen und verbreitet werden. ... Auf Widerspruch gegen die rechten Verharmloser kommt es wahrlich an. Aber auch auf den Mut der Unionsspitze, eine nun offenkundig rein taktisch gemeinte Entschuldigung nicht länger zu akzeptieren. Die CDU muss sich von Hohmann und den Gleichgesinnten trennen."

Ähnlich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Meinungsfreiheit findet im Rechtsstaat ihre Grenzen da, wo Volksverhetzung beginnt. Die Affäre Günzel aber hält eine weitere Lehre bereit - und zwar für die CDU. Für den Abgeordneten Hohmann gilt alles, was auch für Günzel gilt. Hohmann hat gefährlich dumm dahergeredet und das Ansehen der CDU beschädigt. Er gehört aus der Fraktion ausgeschlossen. Anders als Struck aber hat CDU-Chefin Merkel dafür bislang nicht den Mut gehabt."

Die BERLINER ZEITUNG kommentiert:

"Struck hat verhindert, dass der Fall Günzel zu einem Fall Bundeswehr wird. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Bundeswehr wegen des Fehlverhaltens Einzelner dem Generalverdacht ausgesetzt sähe, sie dulde in ihren Reihen Rechtsradikale, ja sie sei gar ein geschützter Ort, an dem der Rechtsradikalismus sich unkontrolliert ausbreiten kann. ... Struck hat gegen das gängige Vorurteil gehandelt, das lautet: Eine Krähe hackt einer anderen kein Auge aus. Er hat die Bündelei zwischen Bürokratie und Politik unterbrochen, hat damit zur politischen Hygiene im Land beigetragen."

Themenwechsel: Die Adam Opel AG will Entlassungen verhindern, in dem sie die Wochenarbeitszeit ohne vollen Lohnausgleich auf 30 Stunden reduziert. Hierzu schreibt das COBURGER TAGEBLATT:

"Eigentlich müssen wir alle länger arbeiten, um Deutschland aus dem Tal zu holen. Aber auch weniger Wochenstunden können helfen, eine Krise zu meistern. Bei Opel in Rüsselsheim, dem Autobauer, der wieder in die Gänge gekommen aber noch nicht über dem Berg ist, wird künftig für weniger Geld weniger gearbeitet. Das spart dem Unternehmen Kosten und erspart der Belegschaft Entlassungen. Ein gutes Beispiel dafür, wie mit dem Instrument Betriebsvereinbarung verträgliche Lösungen für alle Beteiligten geschaffen werden können. Und ein Beleg dafür, dass im Flächentarifstaat Flexibilität nicht außen vor bleiben muss."

Abschließend die B.Z. aus Berlin:

"Für 5500 Arbeiter wird die Arbeitszeit um 14 Prozent gekürzt. Ihr Lohn sinkt aber nur um 6,8 Prozent. Anders ausgedrückt: Der Stundenlohn steigt und damit verteuert sich auch die Produktion. Höhere Kosten sind aber garantiert kein Mittel, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu verbessern. Wenn Opel die Arbeitszeit und die Löhne um jeweils 14 Prozent gekürzt hätte, dann hätte der Kanzler wirklich Grund zur Freude gehabt. So aber lobt er ein schlechtes Beispiel. Und schreitet Seit' an Seit' mit den Gewerkschaften weiter auf dem falschen Weg."