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Pressestimmen von Mittwoch, 05.Juni 2002

zusammengestellt von Martin Muno.4. Juni 2002

Führungskrise bei der FDP / Stoiber vor dem Untersuchungsausschuss

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Im Blickpunkt der Kommentatoren deutscher Tageszeitungen steht an diesem Mittwoch die Lage in der FDP, nachdem der nordrhein- westfälische Landesverband sich im Streit zwischen Parteichef Guido Westerwelle und seinem Stellvertreter Jürgen Möllemann offen auf die Seite Möllemanns geschlagen hatte.

Dazu schreibt die WELT:

"Jürgen Möllemann hat gewonnen, der Anstand hat verloren. Wie verstörte Ministranten schleichen Genscher, Lambsdorff und Westerwelle aus seinem machtpolitischen Freudenhaus. Er hat die ganze große Garde der FDP nicht nur blamiert, er hat sie gedemütigt.
Möllemann ist ab sofort der formative FDP-Vorsitzende, Westerwelle nur mehr der formale. Die Kaltschnäuzigkeit, mit der Möllemann die Liberalen in Geiselhaft seiner persönlichen Ambitionen nimmt, verblüfft nur die, die ihn nicht kennen. Wirklich überraschend ist, dass sich die FDP von seinem impertinenten Spiel zusehends ihre Integrität rauben lässt. Das hat freilich einen Grund: Möllemanns geschickt arrangierte Provokationen stoßen in der Partei und
wahrscheinlich weit darüber hinaus auf reichlich Zustimmung. Darum tritt er auf wie die zu Fleisch gewordene Popularität. Genau das aber macht den Fall über das parteiliche Spektakel hinaus so beklemmend."

Der Bonner GENERALANZEIGER bemerkt:

"Kein noch so freundliches Gerede von innerparteilicher Demokratie und vom 'Geben und Nehmen' kann darüber hinwegtäuschen, dass Westerwelle mit brutaler Offenheit erfuhr, wer in Düsseldorf das Sagen hat. Nicht er, der Bundesvorsitzende, sondern sein Vize. Für Möllemann ist Nordrhein-Westfalen Möllemann-Land. Zurück bleibt ein
politisch schwer beschädigter Parteichef. Zurück bleibt eine -
ausgerechnet im Wahljahr - zerstrittene Partei."

Das sieht die STUTTGARTER ZEITUNG ähnlich:

"Das ist eine bittere Niederlage für Guido Westerwelle. Die Führung des größten, des eigenen Landesverbandes lässt den FDP-Chef in einer der wichtigsten Fragen deutscher Politik im Regen stehen."

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG lesen wir:

"Nein, eines 'Aufstandes der Demokraten', wie ihn Paul Spiegel fordert, bedarf es nicht in der Affäre Möllemann. Längst haben Vertreter vieler gesellschaftlicher Gruppen die politische Instrumentalisierung dumpfer Ressentiments durch Möllemann verurteilt. Dies muss also nicht erst noch geschehen, wie es der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in durchaus verständlicher Empörung nun verlangt. Möllemann hat sich durch seine unsäglichen Äußerungen und seine dummstolze Selbstverteidigung außerhalb jenes Konsenses gestellt, der jenseits aller politischen Unterschiede zum Grundgewebe unsere Gesellschaft gehört."

Die BERLINER ZEITUNG fragt:

"Was nun ist die FDP? Die Antwort 'liberal' klingt heute schon fast zynisch. Westerwelle und Möllemann haben dieses Wort gemeinsam zur Chiffre für Beliebigkeit und Tabubruch verkommen lassen. Das Bild der FDP diffundiert, sie ist (noch) nicht anziehend genug auf der Haider/Möllemann-Seite, schon abstoßend genug auf der anderen und immer mehr: unseriös. Die Umfragewerte sinken und das konservative Lager beginnt sich zu sorgen, diese Diskussion könne die Wahl zu seinem Ungunsten entscheiden."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND geht auf die Rolle von Parteichef Westerwelle ein und meint:

"Die Ereignisse der letzten Wochen sind für den noch jungen
Parteichef die alles entscheidende Krise. Bewältigt er sie, wird er langfristig gestärkt hervorgehen - andernfalls wird er daran zerbrechen. Bislang hat er alles falsch gemacht."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG geht auf die Vernehmung von CSU-Chef Edmund Stoiber durch den Spenden-Untersuchungsausschuss ein und bemerkt:

"SPD und Grüne wollten die Schau; wäre es ihnen nicht um den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU gegangen, dann hätten sie nach dem von Schreiber genannten Zeitraum eigentlich den damaligen Parteivorsitzenden Waigel befragen müssen. Doch käme niemand auf den Gedanken, Waigel könnte keine weiße Weste haben. Der Untersuchungsausschuss konzentrierte sich daher auf Stoiber."

Änhlich sieht es der Bremer WESER-KURIER:

"Fast nichts von dem, was der Waffenhändler Karlheinz Schreiber dem Ausschuss in Kanada erzählte, erhärtete sich durch die Einvernahme des Zeugen Stoiber. In dieser Hinsicht war die Veranstaltung so überflüssig wie vorhergesagt. Das konnten natürlich auch SPD und Grüne voraussehen."