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Pressestimmen von Mittwoch, 09. Juli 2003

zusammengestellt von Reinhard Kleber8. Juli 2003

Rücktritt des CDU-Politikers Friedman/Arbeitslosenzahlen für Juni/Tödliches Operation an iranischen Zwillingsschwestern

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In den Kommentaren der deutschen Tageszeitungen nimmt der Rücktritt des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, wegen der Kokainaffäre eine zentrale Stellung ein. Weitere Themen sind die jüngsten Arbeitslosenzahlen und der Tod der iranischen Zwillingsschwestern bei der Operation in Singapur.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt zum Fall Friedman:

'Der Ton der Friedman-Erklärung war in weiten Teilen so alternativlos wie irritierend - auch wenn bezweifelt werden darf, dass auch noch die Liebeserklärung nebst Entschuldigung an die Lebensgefährtin öffentlich ausgesprochen werden musste. Wichtiger aber ist - für den zentralen Inhalt zwischen all den großen Worten gilt der Satz von Salomon Korn: 'Damit hat er seine Maßstäbe konsequent auch gegen sich selbst angewandt.' Rücktritt von allen Wahlämtern, klares Eingeständnis des Fehlers, eindeutiges Akzeptieren des Strafbefehls: Wer in den vergangenen Wochen dem tiefen Fall des ach so eitlen 'Moralisten' Friedman mit einem leisen 'Na endlich' applaudiert hat, darf sich spätestens jetzt fragen, ob er selbst zu dieser Konsequenz fähig gewesen wäre.'

In der STUTTGARTER ZEITUNG heißt es dazu:

'Ob Friedman allein durch die offizielle Strafe zu diesem Schritt veranlasst wurde, ist durchaus offen. Das Mittel des Strafbefehls soll ja normalerweise gerade dazu dienen, die Sünden kleiner Täter diskret zu ahnden und ihnen den Pranger zu ersparen. Friedman ist zweimal bestraft worden; und die inoffizielle Sanktion ist für ihn weit härter als die offizielle. Wenn die Maßstäbe, die Friedman jetzt gesetzt hat, Schule machen würden, dann müssten sich künftig viele öffentlich entschuldigen und etliche, die gewählt worden sind, eines Tages zurücktreten.'

In der WELT aus Berlin lesen wir zu Friedmans Schritt:

'Friedman hat in seinen Talkshows ein amerikanisches Format nach Deutschland geholt; er war, wie die große transatlantische Demokratie, respektlos, ja antiautoritär vor Thronen. Auch seine gestrige Pressekonferenz hatte etwas von der Art, wie amerikanische Showgrößen, ob Präsidenten oder Popstars, vor dem Souverän ihre Beichten ablegen. Manche werden ihm das übel nehmen und die Ehrlichkeit seiner Zerknirschung bezweifeln. Aber Gott nur sieht das Herz, Gott sei Dank.'

Die jüngsten Arbeitslosenzahlen veranlassen die SÜDDDEUTSCHE ZEITUNG aus München zu folgender Stellungnahme:

'In der Statistik scheinen sich, neben dem späten Ferienbeginn, erstmals die Hartz-Reformen bemerkbar zu machen. Es wurden mehr Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, und es haben sich wohl auch Menschen, die in Wirklichkeit gar keine Arbeit suchten, von den Arbeitsämtern zurückgezogen. Man sollte solche Effekte nicht gering schätzen. Falls sich der erste Eindruck bestätigen sollte, dann hätten die Reformen in der Bundesanstalt für Arbeit ein wichtiges erstes Ziel erreicht.'

Angesichts des tödlichen Ausgangs der Operation der siamesischen Zwillinge aus dem Iran meinen die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN:

'Den Grabreden werden medizinische Bulletins vorauseilen, in denen die Chirurgen um Keith Goh den doppelten Fehlschlag zu begründen suchen. Versagt haben die Götter in Weiß aber schon viel früher. In jenem Moment, als sie das zwar äußerlich missgebildete, so doch gesunde Paar für krank und damit für heilbedürftig erklärten. Deren Wunsch nach körperlicher Scheidung war verständlich, gleichwohl hätten Goh und seine Gefolgsleute nicht darauf eingehen dürfen.'

Eine andere Meinung zu dem spektakulären Eingriff vertritt die KÖLNISCHE RUNDSCHAU:

'Es war ein Versuch ohne Beispiel. Nie zuvor standen Patienten, Angehörige und Ärzte in einer Situation, der einem Vergleich mit dem Fall von Ladan und Laleh standhielte. Die Trennung am Kopf zusammengewachsener Säuglinge ist nicht ganz so riskant, und die Kinder hätten auch ohne Operation nur eine schwache Überlebenschance. Die beiden Schwestern aber hätten ohne den Eingriff noch Jahrzehnte Leben können. Kein Argument ist in der Praxis erprobt, das die Gewissensentscheidung aller Beteiligten hätte erleichtern können. Was bleibt, ist der Respekt vor dieser Entscheidung und vor dem verzweifelten Mut der Zwillinge und ihrer Ärzte.'